Die mittelgroße Zwergbank in der hanseatischen Finanz-Nische

■ Die Hamburgische Landesbank zwischen Aufbruch zu neuen Ufern und drohendem Ausverkauf

In der Finanzwelt ist derzeit hektischer Aktionismus angesagt: Kooperieren, Fusionieren und Expandieren lautet die strategische Grundregel, die nicht nur in Deutschland die Bankmanager umtreibt. Nur die Größten, die sich weltweit erfolgreich tummeln, werden überleben, lautet der Glaubenssatz fast aller Großbankstrategen. Allein regional fest verankerte Institute und spezielle Nischenanbieter sollen daneben auf Dauer noch eine Chance haben.

Die Hamburgische Landesbank (HLB) verfolgt eine gänzlich andere Strategie: „Wir sind groß genug, um auch alleine bestehen zu können“, verkündet Landesbank-Chef Werner Schulz. Dabei ist die Bank mit ihren 1.800 Beschäftigten (Deutsche Bank: 76.000), einer Bilanzsumme von 113 Milliarden Mark (Dresdner Bank: 680 Mrd. DM) und mit ihrem Jahresüberschuß von 198 Millionen Mark (Commerzbank: 1,3 Mrd. DM) schon in deutschem Maßstab allenfalls ein mittelgroßer Zwerg.

Die stille Selbstzufriedenheit der Hamburger Landesbanker stören solche Zahlenvergleiche nur wenig. Seit Anfang der 90er Jahre ging es mit der HLB steil bergauf. Stetige Neueinstellungen, ein solides Wachstum und vor allem überdurchschnittliche Erfolge in fast allen Geschäftsfeldern machten aus der HLB eine regelrechte Banken-Perle. Das Jahr 1997 schlug dann mit einer massiven Aufstockung des Eigenkapitals, eine Verdreifachung des Jahresüberschusses und einem Sprung der Bilanzsumme von 100 auf 113 Milliarden Mark alle Rekorde.

Ob Schiffsbeleihungen (derzeit 940 Schiffsbeteiligungen mit einem Gesamtvolumen von mehr als zehn Milliarden Mark), Immobilien, Wertpapiergeschäfte oder Unternehmenskredite – die HLB ist auf fast allen Geschäftsfeldern derzeit überdurchschnittlich erfolgreich. Während andere Großbanken mit ihren Direktbankexperimenten hohe Verluste erleiden, vermarktet die HLB das derzeit wohl beste deutsche Wertpapierabwicklungssystem EWS Plus. Während deutsche Großbanken gewaltige Sonderrückstellungen für Asiengeschäfte bilden, verweist die HLB stolz auf ihr nochmals verfeinertes Risiko-Controlling, welches größere Einzelrisiken fast gänzlich ausschalte.

Jeden Morgen um neun Uhr versammelt sich der komplette Bankvorstand in der Zentrale am Gerhart-Hauptmann-Platz und diskutiert das Tagesgeschäft. Werner Schulz: „Wir haben kurze Entscheidungswege. Kunden können sicher sein, daß sie mit ihren Anliegen notfalls auch direkt mit dem Vorstand Kontakt aufnehmen können.“ Auf das stille Glück der Hamburger Banker, die in fünf Jahren 200 neue Arbeitsplätze schufen, während die Branche in Hamburg 1000 Arbeitsplätze vernichtete und mehrere tausend weitere abbauen will, fällt inzwischen ein großer Schatten.

1997 verscherbelte der Hamburger Senat 49,5 Prozent der HLB-Anteile an die Schleswig-Holsteinische Landesbank. Noch in der laufenden Legislaturperiode könnten weitere Anteile folgen. Zwar hat das HLB-Management sich inzwischen recht gut mit dem neuen Kieler Co-Eigentümer arrangiert, der auf die Kooperation zweier geistesverwandter Unternehmen baut – der endgültige Ausverkauf nach Kiel hängt jedoch wie ein Damoklesschwert über der HLB.

Bankchef Schulz will deshalb auch seine Amtsperiode nicht verlängern. In Kürze tritt der 50 Jahre junge Alexander Stuhlmann seine Nachfolge an. Stuhlmann, seit 1976 Landesbanker und erst seit 1996 im Vorstand, zählt zur jüngeren Garde der HLB, deren kooperativer Führungsstil maßgeblich für die jüngsten Erfolge verantwortlich ist. Ob er lediglich die Fusion mit der Schleswig-Holsteinischen Landesbank vorbereitet oder die HLB zu neuen Ufern führen darf – das wird allein von Hamburgs rot-grünem Senat abhängen.

Braucht Hamburg aber wirklich eine eigene Landesbank? Diente die HLB in früheren Zeiten dem Senat vor allem zur Finanzierung nicht selten recht anrüchiger, per Stadtstaatsbürgschaft abgesicherter Großprojekte, so könnte die HLB in Zukunft im Verein mit der Hamburger Sparkasse zu gänzlich neuen wirtschaftspolitischen Ufern aufbrechen: Eine wachsende Zahl von Wirtschaftsexperten empfiehlt den Banken, sich in lokalen und regionalen Wirtschaftskreisläufen zu engagieren. HLB und Haspa könnten so in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsbehörde, Stadtteilentwicklern und Kleinstunternehmern die Grundlage zu einem neuen Hamburger Arbeitsplatz- und Wirtschaftswunder legen.

Soweit sind trotz aller geistigen Beweglichkeit derzeit selbst die Landesbanker noch nicht. SPD-Bürgermeister Ortwin Runde aber hat diesen Braten bereits gerochen. So visionierte er bei seiner Antrittsrede vor der Hamburger Wirtschaft am 19. Januar in der Handelskammer: „Vielleicht wäre es denkbar, daß in einem Ortsteil der Direktor der Sparkasse die Geschäftsleute des Viertels an einen Tisch bringt, um Lösungen für drängende Probleme zu finden.“ Florian Marten