Teurer als die Konkurrenz erlaubt

Der Containerumschlagfirma Eurokai im Hamburger Hafen geht es blendend. Derweil will das Tochterunternehmen Eurocargo die Hälfte seiner MitarbeiterInnen entlassen  ■ Von Florian Marten

Die zweitgrößte Firma im Hamburger Hafen hat derzeit gut lachen: Bei der privaten Konzernholding Eurokai klettert der Umsatz seit 1995 stetig in die Höhe. Im kommenden Jahr will das Unternehmen mit der Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG) zum größten deutschen Container-Umschlagriesen fusionieren.

Trauer trägt dagegen die Eurokai-Tochter Eurocargo. Das Container-Packunternehmen will mehr als die Hälfte seiner 160 MitarbeiterInnen feuern und verhandelt derzeit mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) über Art und Ausmaß der Arbeitsplatzvernichtung.

Gemeinsame Ursache dieser auf den ersten Blick widersprüchlichen Entwicklung ist die Globalisierung der Wirtschaft, genauer: der Siegeszug des Containers. Mit den Blechkisten läßt sich nämlich prächtig Geld verdienen. Wenn BilligarbeiterInnen in Winsen an der Luhe oder in Gudow legal, halb- oder illegal für Stundenlöhne zwischen sechs und zwölf Mark Container aus- und wieder bepacken, obwohl die entsprechenden Tariflöhne im Hafen zwischen 17 und 25 Mark pro Stunde liegen, dann mag ÖTV-Hafenspezialist Gert Hüfner zwar über „Wildost“ schimpfen. Die Arbeitsplatzvernichtung bei Eurocargo aber kann seine Gewerkschaft nicht stoppen.

Denn Eurocargo fährt hohe Verluste ein. Das Unternehmen ist pro Packvorgang um 30 bis 70 Prozent teurer als die billigsten Mitkonkurrenten. Dabei wurde es 1993 von Eurokai eigens für das Containerpackgeschäft gegründet. So sollte verhindert werden, daß die Löhne für solche Arbeiten immer weiter sanken.

Die Altbelegschaft von Eurokai konnte einen günstigen Überleitungstarif aushandeln, und das Projekt paßte ins Konzept von Eurokai: Seit Ende der 70er Jahre hat die Firma radikal wie kaum ein anderes Unternehmen auf das Konzept der „Profitcenterisierung“ gesetzt, wie Geschäftsführer Helfried Rietz betont. Damit sollte nicht nur jede einzelne Sparte des Betriebs zum Gewinn verpflichtet werden. Vor allem Wettbewerb und Kostentransparenz waren die Ziele.

Doch Eurocargo wird zu teuer. Reeder, die beim Mutterkonzern umschlagen, und auch die Manager anderer Eurokai-Ableger lassen immer häufiger Billigfirmen ins Containerpackgeschäft; die hohen Umschlagszahlen an den Kaimauern von Eurokai bedeuten nicht zwangsläufig Aufträge für die Tochterfirma.

„Wir haben Eurocargo seit fünf Jahren mit insgesamt 10 Millionen Mark gestützt“, erklärt Rietz, „derart unrentable Geschäfte können wir nicht weiter betreiben.“ Ein Beispiel: Wenn ein Container bei Eurocargo 600 Mark kostet, in Wilhelmsburg aber nur 400 Mark, dann ergibt sich selbst bei zusätzlichen Transportkosten von 100 Mark noch eine Differenz von 100 Mark.

Verschärft wird dieser Trend durch das Lohngefälle in und um den Hamburger Hafen. Zwar gibt es neben dem attraktiven Umschlagstarif von gut 28 Mark pro Stunde mit Spitzenlöhnen bis zu 78 Mark stündlich (soviel gibt es beispielsweise für die dritte Schicht am Sonntag) seit 1990 auch den niedrigeren Distributionstarif mit 17 bis 23 Mark. Doch auch das ist noch zuviel, klagt Eurokai-Geschäftsführer Rietz. „Um vier bis acht Mark liegen wir damit über den Speditionstarifen.“

ÖTV-Verhandlungsführer Gert Hüfner bezweifelt diese Rechnung nicht. Aber was ist dagegen zu tun? Lassen sich Arbeitsplatzflucht und Lohndumping stoppen? „Wir müssen dafür sorgen“, so Hüfner, „daß die Tarifverträge im Hafen nicht ständig durch ungebundene Firmen unterlaufen werden.“

Eine riskante Hintertür hat kürzlich die Gesamthafenbetriebsgesellschaft (GHB) geöffnet, die ihre 1.200 Arbeitskräfte je nach Bedarf an die Hafenunternehmen ausleiht. Sie gründete eine Tochterfirma für einfache Hafenarbeiten, die ihren Angestellten nur noch um die 14 Mark pro Stunde bezahlt. Damit, warnen Experten, könnte die Lohnabwärtsspirale erst recht beschleunigt werden.

Ohnehin schon hat die genormte Blechkiste Container die alte Handarbeit des Hafenumschlags revolutioniert und industrialisiert. 1980 arbeiteten noch rund 17.000 Menschen an den Anlegestellen; heute sind es gerade noch 4.500 Angestellte – und das trotz drastisch gestiegener Umschlagszahlen.

Die teilweise satellitenüberwachten Container machen beinahe einen Teil des Hafens selbst überflüssig. Früher stapelten sich rund um die Anleger Waren, kümmerte sich die Seehafenindustrie um die direkte Weiterverarbeitung von Rohstoffen und sorgten Warenbörsen für einträglichen Handel und Wandel.

Heute kann das alles überall dort geschehen, wo die Container hingeschafft werden – ohne umständlich neu zu verpacken oder umzuverteilen. „Dem Hafen läuft die Arbeit weg“, fürchtet Hüfner. Und der Verkehrswissenschaftler Helmut Deecke stellt fest: „Der Hafen verkommt zur Containerschleuse.“