Komm und bau Dir Deinen Star

■ Interaktives Varieté: Drei HfK-Studenten lassen Monstermarionetten tanzen

Computer sind böse. Einst kamen sie auf die Erde herab, um Gewalt und Zerstreuung zu säen in den Schädeln unserer Kinder und um uns die Arbeitsplätze wegzunehmen. Grausame Soldaten im Dienst von Effizienz und Vernunft. Aber wie alle wilden Tiere sind auch sie zu domestizieren. Sebastian Mecklenburg macht's vor. Drei Monate brütete er acht Stunden am Tag – „manchmal gönnte ich mir schon 'nen freien Tag“ – vor seinem Mac, ließ satte 160 Megabyte Arbeitsspeicher myriadenmal zwischen 0 und 1 schwanken, zwang seinen Scanner-Sklaven dazu, Tausende von Bildern in sich hineinzufressen und nötigte sogar seinen hilflosen HfK-Prof zur Fron des Scannens. Das Ergebnis von so viel Know-how, <high-tech und Lebensechtzeit sind 20 Minuten kristallreine Albernheit auf Filmleinwand. Die ist nicht nur frei von Verunreinigungen durch Sinn und Zweck, sondern multistilistisch, postmodern verschachtelt, ausgesprochen liebenswert und genial.

Am Anfang allerdings stand ein richtiges, echtes Thema. „Stars“ lautete die Vorgabe des Profs für einen Haufen Graphikdesignstudies. Nun treffen sich viele Menschen in der Überzeugung, daß unsere Bühnen- und Leinwandstars mustergültige Volltrottel sind. Anja Schnaars, Anke Janßen und Mac-Malocher Mecklenburg sind durchaus geneigt, sich dieser Theorie anzuschließen, möchten aber ergänzend noch hinzufügen, daß Stars Monster sind, daß sie in Komponenten zerlegbar sind und daß es schön wäre, wenn sich jeder seinen eigenen Star bauen könnte. In unseren heißesten Träumen verpflanzen wir sowieso schon längst den Kopf John Travoltas auf den Rumpf von Kevin Costner und die Beine .... Aber lassen wir das.

Jedenfalls haben die drei angehenden Graphiker mit der gestalterischen Unterstützung von zwei Kommilitonen und einem Prof eine Sammlung von Köpfen, Augen, Mündern, Rümpfen, Beinen und Armen auf einer Festplatte angelegt, aus denen sich alle Interessierten mit Dr.Frankenstein-Ambitionen ihre eigenen Idole interaktiv zusammenbasteln können, um sie anschließend auszulachen. Der Schöpfungsakt findet an einem Touch Screen statt. Wie bei vielen Stars gehen die Fähigkeiten der humanoiden Patchworks über ein freundlich-verhauchtes „Hallo“ nicht hinaus. So sehen wir denn voller Staunen, wie eine laszive Sonnenbrille vor kopfsimulierendem rohem Fleischbatzen auf Efeublattrumpf mit kurzen Mafiosobeinen an einer Palme vorbeischwebt. Im Hintergrund buht ein mißgünstiges Publikum.

Diese seltsame Welt unfähiger, charmanter Kleinkünstler ist mit kindlich gekräuseltem Bleistiftstrich aufs Papier gekritzelt, manchmal mit bunten Farben ausgefüllt, mit vielen 60er Jahre-Hippie-Herzchen und -Sternchen verziert und mit Zeitungsschnipseln beklebt. Klassischer Collagetrickfilm also. Die hochgezüchtete Computertechnologie dient einzig und allein der Interaktivität.

Zwischen den Auftritten der durchwegs fehl-proportionierten Stars darf man sich wundern über einen ärmlichen Strichmann, der im Clinch liegt mit seiner persönlichen Regenwolke, über ein Spiegelei, das hartnäckig von einer Seite zur anderen schwappt (es ist stürmisch auf hoher See), und andere Minidramen. Vor einer brachialen Hardcoresoundkulisse wird ein Star von dicken Teddybären überrollt. „Bunt wie die Welt, spannend wie das Leben“, ruft eine Auto-Reklame einem Tänzer zu. Ein Jahr Arbeit wurde investiert in eine dadaistische Leichtigkeit, wie es sie nur in Kurzfilmerkreisen gibt. bk

Donnerstag, Flut-Bühne 14-22 Uhr, anschließend Trickfilmrolle von HfK-Studenten