Projekt fatal, Femme fatale

In der Schwartzschen Villa in Steglitz werden 30 Jahre Hochhausgeschichte des „Steglitzer Kreisels“ ausgestellt. Berühmtes Symbol für Bausumpf, Bausex und Berliner Filz  ■ Von Rolf Lautenschläger

Er hat schon einmal gebrannt und stand als Bauruine jahrelang wie ein Mahnmal gegen den Steglitzer Himmel. Sein Innenleben ist bis dato asbestverseucht, und Hans Stimmann, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, plädierte dafür, Hochhäuser wie dieses einfach abzureißen. Er wurde besungen und mit Gedichten bedacht. Moritaten und Geschichten aus dem Liebesleben seiner Architektin machen noch heute die Runde. Den „Kreisel“, wie der häßliche Wolkenkratzer am Ende der Schloßstraße genannt wird, aber ficht das alles nicht an. Dreißig Jahre nach dem Start des riesigen Pleiteprojekts steht er als bauliches Symbol einer Epoche in der Stadtgeschichte, in der Filz, Spekulation und Korruption zum Geschäft gehörten.

Daß die Geschichte des Steglitzer Kreisels selbst heute noch die Gemüter erregt, hat die Kulturamtsleiterin des Bezirks, Sabine Weißler, erfahren müssen. Als sie die Mittel für die heute eröffnete Ausstellung „Der Kreisel – Eine Hochhausgeschichte“ bewilligt haben wollte, lehnte ihr das der CDU-Bürgermeister kurzerhand ab. Fürchtete der doch um den sogenannten guten Ruf des Bezirks, des Landes und vielleicht auch seiner Person.

Die Sorge ist nicht unbegründet: „Die Skandalgeschichte des Steglitzer Kreisels ist peinigend für die Berliner Politik, aber leider auch für die Architekten dieser Stadt“, schreibt Architektenkammerchef Cornelius Hertling im Vorwort des kleinen Katalogs. An dem Investitionsskandal, der 1968 seinen Lauf nahm, waren Mitglieder des Senats und der Verwaltungen beteiligt – und mittendrin agierte die Architektin Sigrid Kressmann-Zschach („SKZ“).

Das Programm der cleveren Architektin und Bauunternehmerin war einfach: Wohlwissend, daß der Bezirk sich seit Jahren ein neues Rathaus wünschte, erwarb sie peu à peu alle Grundstücke am „Kreisel“ Schloßstraße/Albrechtstraße. Die Hochhauseuphorie der 60er Jahre – 1965 hatte das Europa-Center eröffnet – nutzte Kressmann-Zschach, 1968 ein 120 Meter hohes Turmhaus zu planen, das der Bezirk später pachten sollte. Dergestalt in das „tolle Bauvorhaben“, wie der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) damals schwärmte, involviert, kam das Land SKZ mit Millionenbeträgen in Form von Darlehen und Bürgschaften zu Hilfe. Als die Baukosten von 80 Millionen Mark auf 180 Millionen und später auf rund 300 Millionen Mark stiegen und SKZ 1973 die Aufstockung der Hypotheken platzten, steckten mehr als 100 Millionen Mark Landessubventionen in dem Projekt. 1974 kam die Pleite, SKZ legte die Bauherrinnenschaft nieder. Ein Untersuchungsausschuß des Parlaments wühlte im Bausumpf: Heraus kamen pikante Sexgeschichten über „private Beziehungen“ der „schönen Sigi“ zum obersten Finanzbeamten der Stadt. Der nahm den Hut, und später auch sein Senator. Der Kreisel wurde verkauft, war Ruine und konnte erst 1980 fertiggestellt werden – bei großen Lasten des Landes.

Die Ausstellung zeichnet diese Chronologie anhand von Plänen und Bildern nach. Sie konzentriert sich zugleich auf die Protagonistin Kressmann-Zschach, die als erfolgreiche Geschäftsfrau und Femme fatale sich nur mehr zum Sündenbock der Männer vom Bau eignete. Geld, Häuser und Männer kann man nie genug haben, war ein Wahlspruch SKZs. Darüber hat man gelacht, aber als es ernst wurde, es natürlich nicht goutiert.