Claus Grotes Studio

Berliner Zimmer, Teil 11. Eine Besuchsreihe  ■ Von Falko Hennig

Ich bin Erstmieter, das war im Oktober 1978, da ist das Haus hier fertig geworden. Ich war ziemlich arm, ich war neu in Berlin, ich hatte kein Geld, ich hatte vorher in einem Wohnheim gewohnt. Ich hatte mir aber einen Kredit genommen. Ich hatte nur die Teppiche, die Vorhänge, einen Kühlschrank, eine Waschmaschine, eine alte Couch hab' ich geschenkt gekriegt und einen völlig üblen Tisch, so einen ollen Pseudomarmortisch. Und meinen ersten Winter 78/79 habe ich hier mit nichts verbracht. Und mein Bett brach ständig zusammen, da fiel der Lattenrost unten durch.

Aber Geräte hatte ich immer. Die standen erst auf der Erde, als das Regal noch nicht war. Dann hatte ich noch eine kleine Katze, die hat nur Scheiße gebaut. Das war dieser harte Winter mit minus 20 Grad. Ich saß hier in dieser warmen Wohnung, und es war sehr romantisch. Ich hörte Rock over Rias in meiner eigenen Wohnung, alles voller Kerzen, und saß immer nur auf der Erde. Die Teppiche waren neu, schön weich. Kerzen sind Wärme, Gemütlichkeit. Die kann ich sehen. Farben kann ich noch sehr gut sehen, besser als mancher normal Sehende. Zeig mir ein Farbbild, und ich sag' dir, welchen Stich es hat. Diese gelbe Kerzenfarbe hat für mich eine warme, heimatliche, beruhigende, wohlstimmende Ausstrahlung.

Als Kind war ich sogar vollblind, dann haben die mich zweimal operiert, und jetzt sehe ich das, was ich sehe. Das sind fünf Prozent von hundert, mehr ist da nicht drin. 1977 bewegte sich Wasser unter der Hornhaut. Es ist eine Doppelkrankheit. Ich habe einmal Grauen Star und guck' am Star vorbei durch einen Schnitt. Zweitens hab' ich eine verkrümmte Hornhaut, unter der sich Wasser absetzt, die dazu führt, daß ich doppelt sehe. Wenn ich in die Kerzenflamme gucke, dann sehe ich die einmal in der Mitte und dann noch ein paarmal drum herum. Deshalb brauche ich auch den TFT-Bildschirm. Ich berühre mit der Nase den Schirm.

Ich habe zwei Verstärker, da unten einer fürs Studio und einen für die HiFi-Anlage. Der Technics, das ist halt der berühmte 1200 MK 2 mit Schnellstartlaufwerk und gutem Arbeitslaufwerk. Du legst den Arm in die Rille, drückst auf „Start“, dann fängt das Stück an, dann stoppst du und drehst mit der Hand die Platte zurück bis eine halbe Umdrehung bevor das Stück anfängt. Und der ist sofort auf Sollgeschwindigkeit, wie ein CD-Player. Rechts daneben sind Tuner, Recorder, Discman, noch mal zusätzlich kleine Akai-Boxen zum Abhören, damit man mal was Schlechtklingendes hat. Ich habe drei Boxensysteme, einmal die an der Decke, BR 50, DDR-Boxen, sehr gute Boxen. Nur, daß sie in den unteren Höhen oder oberen Mitten etwas übertreiben, und die äußersten Höhen sind nicht sehr sauber. Fällt aber nicht auf. Und dann habe ich die Studiomonitore, eigentlich sind es sogar HiFi-Monitore, die zeichnen sich durch linear-glatten, analytischen Klang aus.

Über den Akai-Boxen ist ein alter Tuner, der mal mit den Revox zusammen zu dem Besten der Endsiebziger gehörte. Da drüber ist ein Fehlerstromschalter. Wenn ich mir einen Kurzen baue und Strom in die Erde abfließt, dann schmeißt der die Sicherung raus. Rechts daneben eine simple Fernsehantenne mit Verstärker.

Das ist das eigentliche Studio: ein Keyboard, eine Wave-Station. Die erzeugt ihre Klänge sehr interessant, sehr ungewöhnlich. Du bekommst Klänge, die abweichen von den üblichen 08/15-Klängen im Radio. Das ist ein Sampler, ein ASR 10, ein alter, den ich aber sehr liebe, weil ich jahrelang dran gearbeitet habe. Das ist ein DAT, den braucht heute jeder, der mit Radio zu tun hat. Das ist ein uralter Kassettenrecorder, den benutze ich, um die vielen Kassetten, die ich kriege, einzuspielen. Und das ist so ein Reportergerät, ein NT 1, Digitalrecorder, mit so fingernagel- großen Kassetten, der fast in CD- Qualität aufnimmt. Damit mache ich meine Interviews.

Das Mischpult, ein Mackie-Pult. Aber das hier ist das spannendste, das ist nun nicht das VS880. Das kostet zur Zeit 4.000 Mark: ein Digitalrecorder. Im Prinzip kannst du alles in einem Gerät machen, wenn dir acht Spuren reichen. Intern überspielt, reichen acht Spuren meistens, wir wollen ja nicht größenwahnsinnig werden. Jethro Tull wären glücklich gewesen, wenn sie ihre „Aqualung“-Platte auf so einem Ding hätten aufnehmen können. Du hast zwei Effektprozessoren, richtig gute, also Hall und so was, was wirklich gut klingt.

Ich schätze, ich habe 800 Tonträger, bestehend aus LPs, CDs und Singles. Aber bitte, ich lege immer Wert darauf, daß das selektiertes Zeug ist. Ich überlege mir gut, was ins Regal kommt. Ich mag Popmusik nicht sehr, und wenn, dann die der Endsechziger/Anfangsiebziger. Das hier ist ein CB- Funkgerät: Dummenfunk, Jedermann-Funk, kannst du auch kaufen, sind deshalb nur Idioten drauf. 85 hab' ich mir das gekauft, jetzt sind da nur noch Idioten drauf.

Die Idee, Kabel und Boxen an der Decke zu haben, ist von mir. Die Boxen können ja auf den Schienen an der Decke laufen. Die kann ich mir bis hierher vorziehen. Mach' ich aber nicht mehr, weil ich jetzt diese Monitore habe. Dieses System mit den Halogenlampen gibt es richtig zu kaufen. Und die Haken an den Schienen, wo die Boxenkabel zugeführt werden, das fand ich dann ganz toll. Kabel auf der Erde haben mich immer genervt. Ich häng' jetzt alles hoch. Für den ganzen Raum kann ich an der Decke die Kabel langführen und sie runterkommen lassen, wo ich das möchte. Ich weiß nicht, ob Frauen das so mögen, aber ich mag das. Frauen ist ja leider Technik eher suspekt. Und wenn ich dort auf meiner Couch sitze, die ganzen Geräte hinter mir, das stößt auf Unverständnis: Wie kann man sich die Bude nur so mit Technik vollstellen?