„Verzicht auf Freiheitsentzug“

■ Gericht verurteilt vier Skins wegen Überfall auf Togoer zu Bewährungsstrafen

Kein Fünkchen des Bedauerns, keine Entschuldigung. Trotz ihrer unbeirrten Haltung verurteilte das Pinneberger Amtsgericht am Mittwoch vier junge Skinheads wegen „gefährlicher Körperverletzung“ nur zu Bewährungsstrafen zwischen zehn Monaten und zwei Jahren. Die Staatsanwaltschaft hatte Haftstrafen von zwölf bis 27 Monaten ohne Bewährung gefordert. Die Heranwachsenden hatten zusammen mit anderen Jugendlichen aus der Skinhead-Szene am 1. August vorigen Jahres in Pinneberg einen 36jährigen Togoer schwer verletzt.

Das Urteil liegt zwar im Trend der Rechtsprechung, ist aber für die Opfer von Skins sicher unverständlich. In der Begründung rechtfertigte Amtsrichter Kurt Ingwertsen den „Verzicht auf Freiheitsentzug“ damit, daß er hoffe, der „Selbsterhaltungstrieb“ und die „Angst vor dem Gefängnis“ würden dazu führen, daß die Skins künftig vor Gewalt zurückschreckten. Ferner sei ihnen gerichtlich ja auch noch die Teilnahme an einem Anti-Aggressionstraining verordnet worden.

Der Richter räumte ein, daß die Skins mehrfach in der „rechten Szene, die sich bis Rostock hinzieht“, aufgefallen seien. Außerdem hätten sie sich am „Straßenterror in Pinneberg“ beteiligt. Nach dem Überfall auf den Togoer seien sie jedoch nicht mehr gewalttätig in Erscheinung getreten.

Anfang August 1997 waren die Skins nach einem Saufgelage bei Christoph O., der zum Umfeld der faschistischen Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP) gehört hat, zusammen mit O. zum Pinneberger Bahnhof gezogen. Ihr Ziel: Sie wollten Fans des FC St. Pauli verprügeln, im Skinjargon „Zecken klatschen“. Doch sie trafen auf keine St.-Pauli-Fans. Statt dessen entstieg der togoische Journalist einem der S-Bahn-Züge. Am Bahnhofsausgang wollte er seine Tageskarte zwei Frauen schenken. Sein Pech: Die beiden Mädchen gehörten zur Skinhead-Clique. Diese umzingelte prompt den Schwarzen und beschimpfte ihn als „Scheiß-Nigger“.

Der Togoer versuchte zu entkommen. Florian H., einer der nun Verurteilten, hat wohl einen Totschläger gezogen. Ob er es auch war, der dem flüchtenden Togoer einen Schlag ins Genick verpaßte, so daß der benommen vom Fahrrad stürzte, konnte vor Gericht nicht geklärt werden. Die Angeklagten schwiegen, fremde Zeugen konnten niemanden identifizieren, und die Freundinnen der Skins, so Ingwertsen, „spielten Versteck – die Mädchen wußten ganz genau, was passieren würde.“

Angeblich, so die Aussage eines weiteren Beteiligten, der als Kronzeuge vor Gericht auftrat, soll Dennis V. zugeschlagen haben. V. war ebenfalls an dem Überfall auf den Togoer beteiligt, er wird in Hamburg vor Gericht gestellt werden.

Fest steht jedenfalls, daß alle vier Pinneberger auf den am Boden liegenden Togoer derart eingetreten oder eingeschlagen haben, daß der Afrikaner nur durch das Eingreifen eines Taxifahrers mit dem Leben davongekommen ist. Das Opfer erlitt schwere Schädelverletzungen. „Der fährt nicht mehr mit dem Zug nach Pinneberg“, sagt Nebenklagevertreter Dietrich Weigand. „Er hatte sogar Angst, zum Prozeß zu kommen.“

Weigand bezweifelt eine „erzieherische Wirkung“ des milden Urteils, zumal die vier Jugendlichen allesamt einschlägig vorbestraft sind. „Sie suchen zwar ihre Opfer wahllos aus, ihre Zielgruppe ist aber nicht wahllos“, erläutert der Jurist. Mal „Schwarze“, dann „Zecken“, später „Juden“. Immerhin habe es sich bei dem Überfall „fast um Totschlag“ gehandelt, „wenn nicht sogar um versuchten Mord“. Gegen einige der Skins soll nach taz-Informationen derzeit wegen Ausschreitungen beim NPD-Aufmarsch in Leipzig ermittelt werden.

Ein weiterer Beteiligter, der 19jährige Lars W., wurde in Buxtehude bereits wegen des Überfalls auf den Togoer zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Auch Lars W. sitzt im Pinneberger Amtsgericht, als das Urteil gegen seine Freunde verkündet wird. Auf die Frage, ob er nach seinem Urteil noch mal über die Tat nachgedacht habe, antwortet er zackig: „Nein!“

Peter Müller