Rückenwind für Osteuropa-Forscher

■ Die Forschungsstelle Osteuropa an der Bremer Universität ist einzigartig und muß von den Ländern weiter finanziert werden, findet der Wissenschaftsrat

Die in ihrer Existenz bedrohte Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen hat einen wichtigen Schritt zu ihrer Rettung getan. Der Wissenschaftsrat hat den wissenschaftlichen Wert der Forschungsstelle überprüft. Die Gutachter empfehlen den Bundesländern, die einen großen Teil des Etats für das kleine Institut gemeinsam bezahlen, die Finanzierung der „wissenschaftlich und kulturpolitisch bedeutenden Einrichtung weiterzuführen“.

Die Forschungsstelle erforscht unter der Leitung von Prof. Wolfgang Eichwede seit 1982 interdisziplinär die Transformationsprozesse in ausgewählten Ländern des ehemaligen Ostblocks. In Bremen werde ein „in Deutschland singulärer Forschungsansatz“ verfolgt, der zeithistorische und kulturwissenschaftliche Fragestellungen verbinde, meint der Wissenschaftsrat. Auf diese Weise böten die Bremer eine Ergänzung zu anderen Forschungseinrichtungen mit wirtschafts- oder politikwissenschaftlichem Ansatz.

Besonders das Archiv aus 180.000 Dokumenten zur Zeitgeschichte sei in Europa einzigartig, so das Fazit der Gutachter, die im Herbst 1997 Bremen besucht hatten. Die Bedeutung der Sammlung werde weiter zunehmen, ist man in der Bremer Wissenschaftsbehörde überzeugt, weil selbst in vielen der betroffenen Länder die hier vereinten Quellen in den Wirrnissen des Umbruchs verloren gegangen seien. Viele Dokumente habe Eichwede über persönliche – zum Teil früher illegale – Kontakte aus Rußland und aus anderen Ländern besorgt.

„Rege Publikationstätigkeit“ trage die Erkenntnisse der Bremer Forscher in die Welt, so die Gutachter. Künftig sollten aber vermehrt länderübergreifende Vergleichsstudien erstellt werden. „Hervorragend“ seien die Leistungen bei der Beratung von Entscheidungsträgern in Politik und Kultur. Besonders wichtig: Die Arbeiten der Forschungsstelle zum Themenkom-plex „Rückführung verschleppter Kulturgüter“. Eichwede ist Drahtzieher bei den verhandlungen mit Rußland über die „Beutekunst“.

Die Bundesländer lassen sich die Forschungsstelle aus einem gemeinsamen Topf bei der Kultusministerkonferenz 919.000 Mark an institutioneller Förderung kosten. Bremen trägt von dieser Summe ein Viertel. Weitere 900.000 Mark kamen im Haushalt 1997 aus Drittmitteln, wovon wiederum Bremen den Löwenanteil bezahlte. Insgesamt sind in der Forschungsstelle aus der Grundfinanzierung vier wissenschaftliche und vier sonstige Mitarbeiter beschäftigt, weitere vier Stellen für Wissenschaftler und zweieinhalb für andere Kräfte werden aus Drittmitteln bezahlt. Professor Eichwede als Leiter wird direkt von der Universität bezahlt.

Jetzt hofft die Bremer Wissenschaftsbehörde, daß das Votum des Wissenschaftsrates nicht nur die Kultusminister der Länder überzeugt, sondern vor allem die Finanzminister, die letztlich das Geld freigeben müssen.

Dabei ist es bemerkenswert, daß der Wissenschaftsrat sich überhaupt mit einem so kleinen Institut wie der Bremer Forschungsstelle beschäftigt. Eine gemeinsame Grundförderung der Bundesländer für wissenschaftliche Institute, die auf der sogenannten „Blauen Liste“ stehen, beginnt nämlich normalerweise bei einem Förderungsbetrag von drei Millionen Mark jährlich und aufwärts. Das gesamtstaatliche Interesse an der Bremer Osteuropa-Forschung und deren wissenschaftliche Qualität rechtfertige aber eine gemeinsame Förderung der Länder. jof