Einkaufstour auf dem Balkan

■ Wenn der WAZ-Konzern in Kroatiens Presse einsteigt, könnte das auch hierzulande Geld bringen

Der Verlagskonzern der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) steht im Ruf, immer eine gut gefüllte Kriegskasse zu haben. Und wenn die beiden Geschäftsführer Günther Grotkamp und Erich Schumann auf Einkaufstour gingen, so heißt es, hätten sie schon mal einen Bargeld-Koffer dabei. Grotkamp sagte einmal, der Essener Konzern, der aus einer Revierzeitung hervorging, wäre nie so stark gewachsen, „wenn wir nicht ordentlich rangegangen wären“.

Nun haben sich die WAZ-Herren wieder aufgemacht, und diesmal wollen sie offenbar den Pressemarkt in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens erobern. Von den slowenischen Alpen bis zum mazedonischen Ohridsee verhandeln sie mit den Verlagen und schließen Absichtserklärungen ab.

Damit würde die WAZ ihren Einfluß auf die Presse Südosteuropas weiter ausdehnen. In Ungarn kaufte der Konzern bereits führende Zeitungen, in Bulgarien lag der Anteil der WAZ-Firmen an der überregionalen Presse 1997 bei 70 Prozent, und in Österreich machten sich die Essener zum größten Zeitungsverlag.

Hinter einer Beteiligung an der exjugoslawischen Presse könnte ein einfacher Plan der WAZ-Strategen stecken: Lukrativ ist bei diesen Blättern besonders die Auslandsauflage, vor allem in der Bundesrepublik. Gastarbeiter und Flüchtlinge kaufen an deutschen Kiosken für gutes Geld Informationen aus der Heimat. Tageszeitungen kosten meist rund zwei Mark, Wochenblätter bis zu sieben Mark pro Ausgabe. Einige der Zeitungen, etwa Oslobodenje aus Sarajevo oder Vesti aus Belgrad, haben in Deutschland bereits einen zweiten Druckort.

Falls sich dieser bislang diffus strukturierte Markt koordinieren ließe, könnten die WAZ-Manager womöglich den noch attraktiveren Markt der türkischsprachigen Presse angehen. In Ex-Jugoslawien wird derzeit vor allem mit der Zagreber Europa Press Holding verhandelt – die Rede ist von einer 50prozentigen Beteiligung. Der Holding gehört nahezu die gesamte Hobby- und Freizeitpresse Kroatiens. Jüngstes Flaggschiff der Gruppe ist die Tageszeitung Jutarnji list, ein politisch ernst gemeintes Projekt, mit dem das regierungstreue Informationsmonopol gebrochen werden soll (taz vom 2.5.). Für die Macher kommen Angebote finanzstarker Unternehmen wie der WAZ gelegen – vorausgesetzt, diese wollen sich nach einer Verlagsübernahme politisch im Hintergrund halten.

In der Tat: Für osteuropäische Verhältnisse ist die politische Einflußnahme gering, die der Essener Konzern bisher auf seine Töchter in Ungarn oder Bulgarien ausübte. In den postkommunistischen Staaten prägen Einflußnahme und Zensur von Parteien oder Ministerien die Berichterstattung weiterhin stärker als die Beteiligung internationaler Medienkonzerne. Gefahren, die später einmal von den Konzernen ausgehen könnten, sehen die meisten Journalisten noch nicht. Chefredakteur Branislav Milošević von der Belgrader Oppositionszeitung Nasa Borba, etwa, sieht die Verhandlungen der Essener mit Jutarnji list positiv: Er wäre froh über eine Zusammenarbeit mit einem Partner wie der WAZ. Denn als er vor vor einigen Jahren in Frankfurt einen zweiten Druckort mit einer exiljugoslawischen Firma aufmachen wollte, sei er „übers Ohr gehauen worden“ und habe einige hunderttausend Mark Verlust gemacht. Karl Gersuny