Press-Schlag
: Don Jupp, emotionslos

■ War Reals Champions-League-Gewinn die letzte Amtshandlung von Josef Heynckes?

Jubeln? Ausgelassensein? Nein, er doch nicht. Als Reals Elf schon zu wüsten Fangesängen die Ehrenrunde startete, mußte Josef „Jupp“ Heynckes von seinen Spielern Roberto Carlos und Panucci an je einem Arm hinterhergezerrt werden. Sekunden später hatte sich der Coach schon wieder herausgewunden aus dem Knäuel. Finger durch die Haare, am Schlips zupfen. Übersprungshandlungen. Immer wieder, die Streßhormone. Dann hat er mal kurz den Cup in den Händen, hält ihn hoch. Und wirft – ja wirklich – er wirft das Allerheiligste wieder zurück. Nein, bloß keinen Freudenausbruch.

Heynckes (53) hatte mit Real Madrid gerade die wichtigste Trophäe der Szene gewonnen. Und wird sofort gefragt, ob er denn jetzt noch der Trainer sei, oder wer sonst. Da muß er lächeln, als er sich erneut an den mittlerweile ziemlich zerknitterten Schlips greift, wirkt für seine Verhältnisse fast schon locker. Und sagt: „Es war eine große Nacht für die Klubgeschichte der Institution Real Madrid.“

Und sonst?

Die Gefühle, der Überschwang, das Glück, so ganz persönlich gesehen? „Der Sieg stellt mich zufrieden und glücklich.“ Und dann wird er wieder in gepflegt niederrheinischem Spanisch Üblichkeiten zum Spielverlauf anfügen.

Eigentlich hätte Heynckes weinen müssen, toben und wehklagen. Schließlich will ihn das Real-Management, im Jargon der Junta, ans Leder – wegen Erfolglosigkeit. Raus mit dem deutschen Versager! Was bizarr wirkt, aber er wurde eben nur Vierter in der spanischen Liga daheim. Der große Real! Erschütternd unwürdig.

Schon während des Spiels, kaum hatte Mijatovic getroffen, blickte Heynckes nur noch zur Armbanduhr. Die große Stadionuhr paßte ihm nicht. Seine Zeit lief hier ab, möglicherweise.

Im übrigen weiß Heynckes, was zuviel Emotion bedeutet. 1991, noch bei den Bayern, hatte er, meisterschaftsjubelnd und rathausbalkonberauscht kundgetan: „Und ich verspreche euch, nächstes Jahr holen wir den Europa-Cup.“ Als das nächste Jahr begann, war er schon weg aus München. In Frankfurt glauben sie heute noch, daß es der demütigende Sturkopf war, der eine vielversprechende Mannschaft im Yeboah-Streit kaputtsanierte. Anders in Spanien, wo Don Jupp bei den Provinzklubs Bilbao und Teneriffa zeitweilig mehr Erfolg hatte.

Und jetzt? Der Anführer des neuen Champions-Leage- Champions wirkte so seltsam gelöst, als würde er das absurde Theater genießen. Vielleicht dachte er an seinen Präsidenten Sanz. Der hatte das Team zuletzt mal „taktisch tot“ genannt und mal „praktisch tot“. Nun muß er in der Stunde des Triumphes mit sich ringen, muß sich quälen, winden und nach vorauseilenden Rechtfertigungen suchen. Und dann die Entscheidung treffen.

Jupp Heynckes wird sie gefaßt aufnehmen. Äußerlich. Und höchstens ein letztes Mal am Klubschlips nesteln. müll