Volker Finke spielt mit Grashalmen

■ Trotz verkorkster Rückrunde kämpft der Trainer des SC Freiburg heute abend immer noch um den Bundesliga-Aufstieg – und bleibt relativ entspannt

Freiburg (taz) – Freiburg ist auch Gottenheim. Zehn Autominuten sind es von der Stadt hinaus ins Rheintal. Der SC Freiburg spielt mit seinem Reserveteam gegen Mulhouse. Die Luft ist heiß und schwül, und die Mücken stechen. Und ein paar Zuschauer verlieren sich um den Dorfkickplatz. Volker Finke hockt auf der Böschung und spielt mit Grashalmen. Der Nachbar FC Mulhouse ist gerade abgestiegen in die dritte französische Liga.

Schade, sagt Volker Finke. Vergleiche mit den Jung-Kickern aus dem Elsaß wird es weiterhin geben. Auch mit denen von Sochaux aus dem Industrievorort von Montbelliar. Das ist noch eine Autostunde weiter vom eigenen Tellerrand entfernt. Der FC Sochaux ist gerade wieder aufgestiegen in die Première Division. „Der Siebener von Mulhouse macht ein gutes Spiel“, sagt Volker Finke zu Achim Stocker. Der lehnt ein paar Meter weiter am Geländer und schmaucht ein Zigarillo.

Volker Finke möchte mit dem SC Freiburg auch wieder hoch. Gegen den FSV Zwickau hat es nicht nach erster Liga ausgesehen. Gellende Pfiffe gab es für die 1:3-Heimniederlage. Mehr noch: Verhöhnt wurde die Mannschaft, als der Absteiger aus dem Osten im sicheren Gefühl des Sieges den Ball zirkulieren ließ. Über fünf, zehn Stationen. Jedesmal begleitet von einem lauten „Hej!“ von den Rängen. Mehr noch: „Arbeitsverweigerung“ schreibt einer in einen Leserbrief. Auch noch: „Die wollen ja gar nicht aufsteigen“, hat einer im VIP-Raum des Stadions den Trainer angegeifert.

Den Nachmittag in Gottenheim lassen sich Volker Finke und Achim Stocker nicht nehmen. Der Trainer kann sich über jeden Doppelpaß, über jede gelungene Aktion freuen. Auch von denen aus Mulhouse. Beim SC kickt ein Junge aus der Landesliga bei Hannover mit. „Den brauchen wir nicht nehmen“, raunt Stocker nach einer Stunde rüber. Oder vielleicht doch? Für die Amateure, die endlich vor dem Aufstieg in die Oberliga stehen. Wichtig ist das, sagt Volker Finke. Und die A-Jugend belegt unter den großen Vereinen wieder einen respektablen Platz in der Regionalliga. Finke sagt: „Der macht das richtig gut, der Christian Streich.“ Der Ex-Profi läßt den Nachwuchs verschieben, pressen, Kurzpaß spielen.

Torchance vergeben. Achim Stocker dreht sich um, den Zigarillo im Mundwinkel eingeklemmt und meint: „Wenn ich nicht beidseitig Hüftarthrose hätte, ich hätte den reingemacht.“

Ausnahmezustand nennt Volker Finke das, was sich gegen Zwickau im eigenen Stadion ereignet hat, als der Sport-Club völlig den Faden verlor. Ein Blackout, auf und neben dem Spielfeld. Ist ja auch kein Wunder, wenn seit dem 2. März kein Heimspiel mehr gewonnen wurde. Das interessiert den zahlenden Kunden, nicht, daß der SC Freiburg in den vergangenen Jahren stetig seine Strukturen verbessert hat. Schade, sagt Volker Finke. Möglich immerhin, daß im einstigen Fußball-Idyll Freiburg ein paar Zuschauer nach dem Zwickau-Spiel über sich selbst erschrocken waren. Weil die Sicht auf die Realität verrutscht ist. Die Realität ist eine neue Mannschaft, und die erlebt Rückschläge.

Wunderlich eigentlich, daß die Rückkehr des SC Freiburg in die erste Bundesliga dennoch nach wie vor möglich ist. Nach dieser Rückrunde. Daß die Mannschaft zusammenwächst und dazulernt und kompakter auftritt als noch vor Weihnachten, sagt der Trainer eigentlich gar nicht gerne. Nimmt ihm im Moment sowieso keiner ab. „Sportlichen Erfolg kann man nicht programmieren“, sagt Achim Stocker. Und er sagt, daß auch ein zweiter Anlauf in der nächsten Saison mit einem 13-Millionen-Mark- Etat den Verein nicht vor Probleme stellen würde.

Letzten Sonntag in Köln, beim 2:0-Sieg, hat der SC prima gespielt. Und der Trainer hat gesagt: „Die Mannschaft hat eine schöne Antwort gegeben.“ Vor dem drittletzten Spiel, heute abend gegen Düsseldorf, ist man punktgleich mit dem Dritten Gütersloh vierter. Die Bundesliga kann zurückkommen. Und falls nicht? „Wenn wir es nicht schaffen“, sagt Volker Finke, „können wir ja nicht aufhören.“

Der junge Gastspieler aus der Landesliga hat in Gottenheim dann in der Schlußminute das 1:0 geköpfelt. „Das war nicht so schlecht, Herr Stocker, oder?“ hat Volker Finke noch gesagt. Christoph Kieslich