Die Ära Suharto ist zu Ende, sein System noch nicht

■ Nach dem Rücktritt des indonesischen Präsidenten rückt sein Vize Habibie an die Spitze des Regimes. Bei allem Jubel über den Abgang des Diktators wollen die StudentInnen dennoch protestieren: Bei ihnen steht Habibie für das alte System

Jakarta (taz/AFP/dpa) – Suhartos Vizepräsident ist die neue Nummer eins in Indonesien. Bacharuddin Jusuf Habibie hielt gestern nach dem Rücktritt seines Vorgängers eine 15minütige Rede an die Nation, in der der Gefolgsmann des Diktators die Reformbewegung der Studenten lobte, die in die Politik neuen Schwung gebracht habe. Er versprach, mit einem „sauberen“ Kabinett antreten zu wollen, und sagte der Korruption und Vetternwirtschaft den Kampf an. Habibie betonte, seine Regierung, die er heute vorstellen will, werde das von Suharto mit dem Internationalen Weltwährungsfonds geschlossene Abkommen wie alle anderen Verträge der 32jährigen Suharto-Ära einhalten. Die zur Erfüllung der IWF-Kreditauflagen erfolgten Preiserhöhungen waren Auslöser der Massenproteste gegen Vetternwirtschaft, Korruption und die Unterdrückung demokratischer Freiheiten gewesen.

Suharto trat zurück, nachdem auch die von ihm angekündigte Kabinettsumbildung die Proteste nicht entschärfen konnte. Auch der Parlamentspräsident und Mitglieder seiner eigenen Golkar-Partei forderten schließlich seinen Rücktritt. Am Mittwoch legte auch US-Außenministerin Madeleine Albright dem indonesischen Präsidenten den Rücktritt nahe, „um sein Erbe zu bewahren“. Suharto war 1965 mit einem Putsch und der Unterstützung der CIA an die Macht gekommen.

Ausländische Politiker reagierten positiv auf den Wechsel in der indonesischen Präsidentschaft. Sie verbanden das mit der Hoffnung auf eine Überwindung der Krise. Im Land selbst klangen aber auch skeptische und kritische Töne an. So sprach sich ein Großteil der Studenten trotz spontaner Freude über den Abgang Suhartos dafür aus, die Proteste fortzusetzen und Habibie zu stürzen, der als Teil des Suharto-Systems gilt.

Der muslimische Oppositionsführer Amien Rais, der bereits seinen Anspruch auf das Präsidentenamt angemeldet hat, forderte, Suharto und seine Familie vor Gericht zu stellen. Eines Tages müsse ihnen ein „fairer Prozeß“ gemacht werden. Nach einem Treffen mit Habibie erklärte Rais ferner, er betrachte dessen Präsidentschaft als Übergang: „Ich habe ihm gesagt, ich würde gerne Sparringspartner werden. Er sagte, ja bitte, Amien, ich habe keine Einwände dagegen.“

Auch Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta sieht in der Ernennung Habibies keine Lösung. „Habibie verfügt über keinerlei Legitimität“, betonte gestern der Vertreter des antiindonesischen Widerstands Ost-Timors im Ausland. Der neue Staatschef sei vom bisherigen Präsidenten Suharto eingesetzt worden.

Demgegenüber äußerte Portugal, die frühere Kolonialmacht in Ost-Timor, vorsichtigen Optimismus, daß der Konflikt mit Indonesien gelöst werden könne. Der Rücktritt Suhartos könne dazu führen, daß für Ost-Timor der lange Leidensweg zu Ende gehe, sagte der portugiesische Staatspräsident Jorge Sampaio. Ost-Timor war 1976 von Indonesien annektiert worden, nachdem Portugal die Unabhängigkeit seiner Ex-Kolonie anerkannt hatte. bs Tagesthema Seite 3

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