Helden wie die anderen

■ Die Theater Mafia setzt mit „Tango“ Unvermögen in Szene

Vater und Sohn haben einen Generationskonflikt. Der Macho Edek schläft mit Arturs Mutter Eleonore, und Vater Stomil ist das ziemlich egal. Tango von Slawodir Mrozek thematisierte schon 1965 das Chaos im Kopf, das aus dem Verfall traditioneller Werte resultiert. Sinnsucher Artur beharrt gegen die libertäre Gesinnung der Eltern auf der Unmoral des Ehebruchs, woraufhin Stomil ihm vorhält, er habe die Rolle der Spaßbremse nur angelernt: „Du bist ein miserabler Schauspieler.“

Stimmt. Es ist das einzig wirklich Überzeugende der Inszenierung von Katharina Fleckenstein im Altonaer Theater, daß Artur (Frank Siebenschuh) seine Rolle nicht spielen kann. Sein verzweifeltes Lamento über das Verschwinden der Grenzen und sein desperater Versuch der Gründung einer eigenen Prinzipienethik sind in keinem Moment authentisch. Diese Figurenskizze paßt in die Neunziger, in denen es um das Umgehenkönnen mit einer flüchtigen Identität geht.

Und nicht nur das Selbstverständnis gerät ins Schlingern. Auch die Wohlstandssaga verliert an Glaubwürdigkeit. Der VW Käfer in Hans Winklers Bühne steht deshalb in einer Tiefgarage, hoffnungsvoll blau, aber funktionsunfähig. Die Figuren kommen mit dem Fahrstuhl hinabgefahren: BRD im Sinndrama „ganz unten“.

Doch was 1965 inhaltlich von visionärer Kraft war, liest man 1998 täglich auf den Kommentarseiten. Da es bei einem Up-Date ohne wirklich orginelle Umsetzung bleibt, wirkt Tango meistenteils, als hätte ein beschwipster Peter Hintze die Mitglieder der Grundwerte-Kommission zum Spiel gebeten. Viel Gerede, wenig Anschauung, noch weniger Relevanz.

„Es gibt keine Freiheit vom Leben“, sagt Onkel Eugen (Heinz Lieven) zu Artur. Weil dies unbestritten bleibt, wäre es interessanter, anstelle eines Scheiterns am Großen ein Einrichtem im Kleinen zu zeigen. Doch gemäß dem Theater Mafia-Motto „Aufsturz? Umstand? Rebelution? 150 Jahre deutsches Unvermögen“ läßt Mitglied Fleckenstein Artur durch Selbstmord verschwinden. Das wiederholt aber nur das Unvermögen, mit dem Unvermögen klarzukommen: Die angekündigte Komödie muß irgendwie doch tragisch sein.

Dabei bieten die Frauenrollen Beispiele, wie es anders geht. Bleiben doch sowohl Arturs künftige Braut als auch Mutter recht farblos, immer ein bißchen nervig. Ohne Präsenz da zu sein, das ist der Tango, den es noch zu tanzen gilt.

Jörg Metelmann