Sind Sie beschäftigt?
: „Heute muß mehr geknüppelt werden“

■ Der Polizist Matthias P. spürt bei seiner Arbeit die Folgen der Arbeitslosigkeit. „Man merkt eine Leck-mich-Stimmung.“ Er macht sich aber mehr Gedanken um den Frieden in der Welt

Die Mehrzahl der Berliner geht jeden Tag zur Arbeit, daneben sind rund 290.000 Menschen erwerbslos gemeldet. Doch auch diejenigen, die keinen Arbeitgeber haben, sind nicht ohne Arbeit. „Sind Sie beschäftigt?“ will die taz wissen und hört sich in den nächsten Wochen täglich an wechselnden Orten um.

Der 31jährige Polizist Matthias P.: Man macht sich schon mehr Gedanken als früher um die Arbeit. Ich habe zwar einen relativ sicheren Job, der auch krisensicher ist. Aber man ist schon ganz froh, daß man gerade diesen Beruf hat. Auf jeden Fall merke ich bei meiner Arbeit die Auswirkungen der hohen Arbeitslosigkeit. Ich würde nicht sagen soziale Armut. Ich bin der Meinung, daß man das am Äußeren sieht.

Die Klamotten vieler Leute sehen ein bißchen abgetragen aus, Stadtstreicher treten meiner Meinung nach etwas vermehrt auf. Man merkt eine Melancholie, eine Leck-mich-Stimmung. Ich habe ab und zu so ein Gefühl, daß viele Leute denken, auch wenn ich keine Arbeit habe, wird mich schon das soziale Netz auffangen.

Bei meiner Berufswahl spielte die Überlegung „krisensicherer Job“ überhaupt keine Rolle. Als ich angefangen habe, war auch noch genug Arbeit vorhanden. In der freien Wirtschaft oder als Angestellter im öffentlichen Dienst kann es schnell sein, daß man auf einer Kann-Wegfallen-Stelle sitzt. Es gibt für mich größere Schwerpunkte als die Arbeitslosenzahlen. Es gibt wichtigere Sachen, z.B. den Frieden in der Welt oder die Umweltverschmutzung. Vielleicht liegt das auch an meiner beruflichen Stellung, daß ich mir darüber mehr Gedanken mache als um Arbeitslosenzahlen.

In meinem persönlichen Umfeld ist niemand von Arbeitslosigkeit betroffen. Es gibt viele Leute, denke ich mal, die sind selbst schuld daran, wenn sie die Arbeit verlieren. Viele sind einfach zu faul. Heute muß halt ein bißchen mehr geknüppelt werden. Da denke ich zum Beispiel an die Spargelernte in Beelitz, wo sich polnische Landarbeiter anmelden und die Deutschen gleich nach drei Tagen krank sind oder unentschuldigt fehlen. Barbara Bollwahn

wird fortgesetzt