Musik oder Begleitmusik?

■ betr.: „Dann Widerstand gegen euch“, „Umweltschützer fordern grünes Reinheitsgebot“, „Eine Partei ist keine Wunschfee“, taz vom 12. 5. 98

Die VertreterInnen der Anti- Atom-Initiativen und Umweltverbände haben beim Frankfurter Treffen nicht – wie die taz berichtet – den Widerstand gegen die Bündnisgrünen als solche angekündigt. Sie haben erklärt, und dies ist ein wesentlicher Unterschied, daß es weiter Protest und Widerstand geben wird, solange noch Atomkraftwerke am Netz sind, und dies unabhängig davon, welche Parteien eine Bundesregierung bilden und welche Parteien meinen, den Weiterbetrieb politisch verantworten zu können, ob acht Jahre, wie die Grünen oder zehn Jahre, wie die SPD.

Alle Erfahrungen aus dem Kampf gegen die Atomindustrie lehren, daß die politischen Erfolge der Bewegung selten davon abhängig waren, welcher Couleur eine Regierungskoalition in Bonn oder in den Landeshauptstädten war. Entscheidend war immer der von den AtomkraftgegnerInnen ausgehende politische Druck. [...]

Wie lange die Reaktoren noch weiterlaufen, hängt jedenfalls nicht in erster Linie davon ab, was die Grünen in ein Ausstiegsgesetz schreiben. Entscheidender ist der Machtkampf zwischen ausstiegswilliger Bevölkerung und den Interessen der Stromkonzerne. Je mehr Menschen sich bequem zurücklehnen und darauf warten, bis Rot-Grün den Ausstieg vollzogen hat, um so länger wird dieser dauern.

Deshalb tragen die Grünen auch Verantwortung dafür, ihren atomkraftkritischen WählerInnen nicht vorzugaukeln, mit einer Regierungsbeteiligung und einem Ausstiegsgesetz sei es getan. Auch das in Frankfurt gefallene Wort von der „Begleitmusik“, die die Bewegung zu den Bemühungen der Partei machen soll, geht deutlich am politisch Notwendigen vorbei. Nur wenn alle diejenigen, die den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie für unumgänglich halten, weiterhin selbst die „Musik“ machen, und zwar möglichst laut, tanzen Regierungen und Konzerne in die richtige Richtung. Jochen Stay,

Jeetzel (Wendland)