Befürworter und Gegner rüsten für die nächste Runde

■ Die Neinsager unter den Protestanten haben ihr Ziel verfehlt. Das Referendum zeigt: Die Unionistische Partei, die Nordirland 50 Jahre unangefochten regiert hat, zerfällt immer mehr

Pfarrer Ian Paisley und seine „United Unionists“ gegen das britisch-irische Abkommen vom Karfreitag setzten auf Emotionen: Sie malten vor dem Referendum ein düsteres Bild von IRA-Männern in der nordirischen Regierung und bei der Polizei und betonten immer wieder, die Terroristen aus den Reihen der Katholiken würden binnen zwei Jahren aus den Gefängnissen spazieren.

Ihr bestes Umfrageergebnis erzielten die Abkommensgegner denn auch, als die „Balcombe Street Four“ – vier IRA-Gefangene, die wegen einer Bombenkampagne in England seit mehr als zwanzig Jahren im Gefängnis sitzen – für zwei Tage freigelassen wurden, um am Sinn-Féin-Parteitag teilnehmen zu können. Die Fotos der vier in inniger Umarmung mit Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams ließen die Unterstützung für das Abkommen im protestantischen Lager auf 35 Prozent sinken.

Was dann geschah, ist seit Samstag Gegenstand von Spekulationen: Waren es die beiden Belfaster Blitzbesuche des britischen Premierministers Tony Blair, das U2-Konzert in der nordirischen Hauptstadt mit Unionistenchef David Trimble und dem katholischen Sozialdemokraten John Hume Hand in Hand auf der Bühne, oder waren es die 160.000 Wähler, die bei anderen Wahlen stets zu Hause geblieben waren? Wahrscheinlich spielten alle drei Faktoren eine Rolle.

Fest steht, daß die Neinsager ihr erklärtes Ziel von mehr als 30 Prozent der Stimmen verfehlt haben. Dennoch ist bei den Unionisten nun keineswegs Ruhe eingekehrt. Befürworter Trimble – der noch vor zwei Jahren Hand in Hand mit Hardliner Paisley auf einer Oranier-Parade aufgetreten war – sitzt noch lange nicht fest im Sattel. Im Gegenteil: Seine Unionistische Partei, die 50 Jahre lang die britische Provinz Nordirland unangefochten regiert hat, zerfällt immer mehr. 1971 hatte sich Ian Paisley abgespalten und seine eigene Partei gegründet, drei Jahre später gab es interne Auseinandersetzungen um eine katholische Machtbeteiligung.

Die Politisierung der paramilitärischen Organisationen bei den Loyalisten hat die Unionistische Partei vor allem in den Arbeitervierteln viel Unterstützung gekostet. Und das Karfreitagsabkommen hat die Partei noch einmal gespalten. Sechs ihrer zehn Abgeordneten im britischen Parlament haben mit Nein gestimmt.

Beide Seiten rüsten nun für die nächste Runde, wenn am 25. Juni das nordirische Regionalparlament gewählt wird. Jetzt geht es um die Auswahl der Kandidaten. Trimbles politisches Überleben hängt davon ab, ob er eine klare Mehrheit der unionistischen Abgeordneten hinter sich hat. Sein Parteikollege, der Unterhaus-Abgeordnete Willie Thompson, sagte gestern: „Wenn 71 Prozent mit Ja gestimmt haben, heißt das, daß die Hälfte der Unionisten mit Nein gestimmt haben. Wir haben keine moralische Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß dieses Abkommen funktioniert. Bei jedem Abkommen muß es eine Mehrheit von Nationalisten und Unionisten geben.“

Trimbles relativ schwache Position läßt ihm wenig Spielraum im neuen Parlament, weil er bei unpopulären Entscheidungen immer damit rechnen muß, als Parteichef gestürzt zu werden. Gestern sagte er deshalb, daß die Ausmusterung der IRA-Waffen für ihn Priorität habe. Solange das nicht geschehen sei, werde er sich nicht mit Sinn- Féin-Vertretern an den Kabinettstisch setzen. Das ist im übrigen ein altes Thema. Der irische Premierminister Bertie Ahern meinte, er erwarte die Herausgabe der Waffen nicht, bevor nicht die nordirische Polizei reformiert worden ist.

Sollte Trimble auf seine Forderungen bestehen, ist das Abkommen zum Scheitern verurteilt. Das nordirische Parlament muß zügig seine Arbeit aufnehmen und binnen sechs Monaten grenzüberschreitende Institutionen ausgehandelt haben, sonst sind die Plebiszite null und nichtig.