Zeugen von Raub und Schmuggel

■ Drogen, Colts und Alusärge lagern in der Asservatenkammer der Polizei

Sie sind die stummen Zeugen von unzähligen Morden, Rauben, Schmuggeleien. Auf 600 Quadratmetern liegen sie sicher aufbewahrt unter dem Gerichtsgebäude in Bremen. Die gemeinsame Asservatenkammer von Polizei, Staatsanwaltschaft, Wasserschutz und Zoll beherbergt etwa eine halbe Million Beweisstücke.

So erinnert zum Beispiel eine unscheinbare Aluminiumkiste in einer Ecke an ein besonders grausames Verbrechen. Darin versenkte der inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilte Carsten Wolf seinen vierjährigen Sohn und seine drei Monate alte Tochter in einem Hamburger Kanal. In einem anderen Raum werden Teppiche aufbewahrt, in denen Leichen eingerollt waren. Ein eigentümlicher Geruch von getrocknetem Blut erfüllt die Luft.

„30 Jahre lang müssen die Beweisstücke bei Mordfällen aufbewahrt werden“, erläutert Asservaten-Hüter Werner Früchtenicht, offiziell „Leiter des Beweisstückstelle“. An diesem Vormittag nehmen seine Kollegen die Beweisstücke in einem neuen Bremer Tötungsdelikt entgegen. Auf einer Liste ist alles sorgfältig notiert: Sonnenbrille, Jeans, Haarbüschel, Zigarettenkippen ohne Filter, Labormaterial. Unter einer Hauptnummer wird alles im Computer gespeichert und vermerkt, an welcher Stelle in dem großen Kellergewölbe die Stücke aufbewahrt werden. „Wir finden alles in Minutenschnelle wieder. Das wäre ohne PC-Anlage nicht möglich“, sagt Früchtenicht. Eine doppelte Sicherung gibt es mit einer herkömmlichen Ordner-Ablage.

Im Waffenarsenal finden sich Pistolen und Revolver jeden Kalibers. Auch Gewehre, Maschinenpistolen und eine Kalaschnikow gehören zu den in der Hansestadt sichergestellten Tatwerkzeugen. Wurfsterne, Messer, Würgehölzer und mit Nägeln bestückte Knüppel sind Zeugen von brutalen Taten. In einer Ecke stapeln sich kistenweise Waffen und Munition. Der Berg wurde in einem Angelgeschäft beschlagnahmt. „Der Ladenbesitzer betrieb hinter einem Vorhang ein illegales Waffengeschäft“, erklärt Früchtenicht.

Im „wertvollsten Raum Bremens“ lagern – zusätzlich gesichert – Rauschgift, Geldscheine, Münzen und Schmuck. „Es sind zwölf Schränke voller Rauschgift. Allein ein Schrank enthält Drogen im Marktwert von neun Millionen Mark.“ Dort steht auch eine große Kiste mit Aufklebern „Vorsicht zerbrechlich“. Der Inhalt ist eine kleine, kostbare Schale, aus der Caesar einst getrunken haben soll. Sie wurde nach Angaben Früchte-nichts aus einem römischen Museum gestohlen. Ein Bremer Arzt ersteigerte das antike Stück nichtsahnend bei Christie's in London für 100.000 Mark. Nun bleibt es bis zur Klärung des Rechtsstreites in der Asservatenkammer.

Der überwiegende Teil der sichergestellten Stücke ist indes weniger spektakulär. „Was in einem Warenhaus liegt, haben wir auch“, sagt Früchtenicht: Handys, Autoradios, Kaffeekannen, Puppen, Spiele, Spirituosen, Angeln, Koffer, Reisetaschen. In einer „Vernichtungsecke“ werden Imi-tate von wertvollen Uhren wie Rolex und Cartier zerstört. „Damit sie nicht wieder in den Umlauf kommen.“

Sechsmal im Jahr gibt es eine Versteigerung von nicht mehr benötigten Beweismitteln. „Selbstverständlich gehören keine Waffen dazu“, sagt Staatsanwalt Horst Nullmeyer. Wenn ein Verfahren rechtskräftig abgeschlossen und der Eigentümer der sichergestellten Gegenstände unbekannt ist, werden die Teile Eigentum des Staates und können verwertet werden. Auf diese Weise fließen jährlich 100.000 Mark an den Bremer Fiskus.

Vera Jansen, dpa