Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar

...ist von hohem Unterhaltungswert. Und die Unterhaltung ist fest in schwuler Hand: Alfred Biolek, Lilo Wanders, Ralph Morgenstern, Hape Kerkeling, Axel Bulthaupt, Patrick Lindner. Um nur ein paar zu nennen, die man nennen darf, ohne ein Verfahren wegen übler Nachrede zu riskieren.

Die Prominenten aber haben Konkurrenz bekommen. In unzähligen Talkshows sitzen all die No- name-Homos und erzählen tapfer – zu unser aller Vergnügen – ihre Geschichten über Liebe und Eifersucht, schlagen und beißen, Fummel und Leder, ficken und gefickt werden. Oft haben sie nicht mehr zu bieten als nur die eine Nachricht: „Ich bin schwul!“ Das hält die Quoten im grünen Bereich und gibt dem einzelnen die Gelegenheit zur öffentlichen Katharsis. Doch damit ist bald Schluß, die Geschichten sind durch. Wir brauchen mehr! Was das „mehr“ sein kann? Das machen uns die Amis vor. Wie der Privatsender KGTV in San Diego. „Restroom Sex“ heißt dessen Serie über lustige, kleine Abenteuer auf öffentlichen Toiletten. Spätestens seit dem Ausflug von George Michael auf die Beverly-Hills-Klappe wissen wir Bescheid. Die KGTV-Reporter machten sich auf die Suche im Internet und stießen auf eine gut informierte Website, die die schönsten Plätze weltweit auflistet, darunter die Campus-Klappe in San Diego. Dahin zog es die neugierigen Journalisten, denn, so rechtfertigt KGTV-Chefredakteur August scheinheilig die Aktion, die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf zu erfahren, welche öffentlichen Einrichtungen mit ihren Steuergeldern finanziert würden.

Gleich der erste Einsatz bringt's, nur zwanzig Minuten mußte der Reporter mit seiner Kamera auf eine „full blown-orgy“ warten. Die Bilder der versteckten Kamera – ganz authentisch verwackelt und in Schwarzweiß; mit einem, der die Hose runterläßt und einem anderen, der den Schwanz zückt, einem dritten, der auf den nächsten wartet, etc. – gehen noch am gleichen Tag raus, nachrichtenmäßig aufbereitet: Es passiert ja sonst nichts.

Lesben- und Schwulengruppen laufen Sturm gegen diese Art von Journalismus und fordern eine Ethikdebatte der Medienmenschen. „Das ist schwulenfeindilch und verstärkt bestehende Vorurteile“, so die Kritik. Mr. August will davon nichts wissen: „Was wollen Sie: Das ist so passiert, und wir haben es gesehen. Machen Sie aus uns keine Schwulenfeinde, nur weil wir über das berichten, was wir sehen.“

In den Medien der schwulen Gemeinde tobt seitdem die Klappen-Debatte, das große Für und Wider über Sex an öffentlichen Plätzen: Schadet es uns, öffentlich darüber zu reden, oder ist es ein selbstverständlicher Teil unseres Alltags, den wir nicht verstecken müssen? „Solange wir anständigen Schwulen unseren Brüdern nicht beibrigen“, schreibt Kendon Huppert im Nachrichtenmagazin Advocate, „daß Sex ins Motel, nach Hause oder – wenn's denn sein muß – ins Auto gehört, so lange wird uns der Rest der Welt für pervers halten.“ Harvey Herrick hält dagegen und schimpft über die, die nicht „zu schwul“ erscheinen wollen. Und seinem Vergnügen bleibt er treu: „Natürlich kommen wir in Teufels Küche, wenn wir einen kurzen Blick an der Pißrinne riskieren oder im Pornokino eine Orgie veranstalten, aber pervers bin ich deshalb noch lange nicht!“