Entwicklung wieder vergessen

Reform der EU-Agrarpolitik wird von Umweltschützern nicht nur negativ gesehen. Doch EU-Bauern sollen weiter mit Entwicklungsländern konkurrieren  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – „Wir brauchen eine Offensive für Arbeit und Umwelt in der Agrarpolitik“, sagten übereinstimmend die Vertreter der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und des Naturschutzbundes Nabu gestern in Bonn anläßlich der bevorstehenden Sondertagung der Bund- Länder-Agrarminister-Konferenz. Beide Organisationen halten den Agrarreformvorschlag der EU- Kommission für „einen Schritt in die richtige Richtung“. Damit gewinnen die Repräsentanten von Umweltschutz und Kleinbauern der Reform der EU und vor allem der des Agrarhaushalts auch positive Seiten ab.

„Die Agenda2000 bietet die Chance, Umwelt- und Naturschutz mit Agrarpolitik zu verknüpfen“, erklärte Nabu-Geschäftsführer Gerd Billen. Es seien Entwicklungsprogramme möglich, die nach den Bedürfnissen der Regionen erstellt und durchgeführt werden könnten, erläuterte Billen. Erforderlich sei jedoch eine deutliche Aufstockung der finanziellen Mittel zur Entwicklung der ländlichen Räume. Es gehe vor allem darum, die Agrarumweltprogramme der Europäischen Union weiter auszubauen und ökologisch wertvolle Gebiete in die Förderung der sogenannten benachteiligten Gebiete einzubeziehen.

Rudolf Bentzel, der Landwirtschaftskoordinator beim Forum Umwelt und Entwicklung, sieht die Reform allerdings skeptischer: Programme für Ökobauern würden „zwar aufgestockt, bleiben aber marginal“, meinte er gestern. „Wenn alles gutgeht, steigen die Agrarumweltprogramme von derzeit 1,6 auf 2,3 Milliarden Ecu. Doch der gesamte Agrarhaushalt liegt bei 50 Milliarden Ecu.“

Bentzel, aber auch AbL und Nabu kritisieren, daß die Agrarreform weiter darauf zielt, den Weltmarkt zu erobern. „Die EU propagiert eine Art von Exportdumping über die Subvention der Produzenten“, sagte Bentzel. Das steht den Zielen der Entwicklungspolitik entgegen, weil damit die Erzeugerpreise für Bauern in Schwellen- oder Entwicklungsländern gedrückt werden. „Die eigentlich auch für die EU geltenden Verträge wie der von Rio zu nachhaltigem Wirtschaften, Ressourcen- oder Umweltschutz werden im Entwurf der Agenda2000 nicht einmal erwähnt“, kritisiert Koordinator Bentzel.

Ob überhaupt positive Ansätze im Agrarentwurf enthalten bleiben, ist noch nicht einmal sicher. Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU), die Bauernverbände und diverse Landesminister wettern gegen jede sinnvolle ökologische Reform. Auf dem letzten Bauerntag in Brandenburg am Wochenende schwangen alle wieder die große Keule: „Wir werden nicht aufgeben und weiterhin mit aller Härte Veränderungen einfordern“, sagte Jochen Borchert beim Brandenburgischen Landesbauerntag in Paaren/Glien (Havelland). Dem Minister zufolge würden nach derzeitigem Stand der Agenda die Einkommen der deutschen Landwirte um durchschnittlich zehn Prozent sinken.

Borchert sprach sich gegen die Beschränkung des Rinderbestandes auf 90 Stück aus. Jegliche Größenbeschränkung bei der Förderung ist vor allem den ostdeutschen Bauern mit ihren großen Höfen ein Dorn im Auge. Weil die EU-Subventionen nicht nach Arbeitsplätzen oder Umweltkriterien, sondern praktisch ausschließlich nach Produktionsmenge gezahlt werden, greifen Großbetriebe teilweise Millionenhilfen pro Jahr ab. Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) nannte auch Summen: Brandenburgs Landwirte würden mit bis zu 250 Millionen Mark ein Drittel ihres Fördereinkommens einbüßen.

Die Minister und Großbauern träumen weiterhin von Massenware für den Weltmarkt statt von umweltfreundlichen Produkten für die regionalen und die EU- Märkte. Da werden es die sinnvollen Elemente der Reform schwer haben, bis in den letztendlichen Entwurf durchzukommen.