Westerwelle mit der sanften Kraft des Windes

■ Beim Kampf um den dritten Platz im politischen Parteienspektrum setzt sich der Liberale auf einem taz-Forum nach Punkten gegen den Grünen Ströbele durch

Berlin (taz) – Manchmal sagen Bilder mehr aus über einen Politiker als alle Programme. Etwa jene, die Guido Westerwelle und Christian Ströbele am Sonntag abend fanden, um die Stärken ihrer Parteien einem erlesenen Publikum von Gefolgsleuten nahezubringen. Diese Stärke war Gegenstand einer Diskussion, zu der die tageszeitung die beiden Politiker in das Schöneberger Rathaus geladen hatte.

„Wer ist die dritte politische Kraft?“ Auf diese Frage wollten Westerwelle und Ströbele grundsätzliche Antworten geben. Einen solchen Grundsatz stellte Westerwelle gleich zu Beginn der Veranstaltung auf. Drei Grundwerte gebe es in unserer Gesellschaft: Ordnung, Freiheit und Gleichheit. Ihnen ordnete der Generalsekretär drei Parteiströmungen zu, die Konservativen, die Liberalen und die politische Linke. Da ließ es sich natürlich trefflich streiten, ob das, was die FDP treibt, noch liberal zu nennen ist.

Auf den Abbau demokratischer Grundrechte konnte Ströbele verweisen, auf die Asylpraxis wie den Lauschangriff. Er beklagte das Ende des bürgerrechtlichen Liberalismus bei der FDP und nahm das Erbe für sich in Anspruch. „Liberal“, das sei ein Teil seiner politischen Tätigkeit. Immerhin hatte ihn bereits vor Jahren Andreas Baader einen Liberalen genannt, obgleich der das wohl mehr als Schimpfwort verstanden wissen wollte.

Liberal, dozierte der Generalsekretär, bedeute Freiheit vom Staat und Freiheit durch den Staat. „Sie haben unsere Wohnungen geöffnet für den Staat“, empörte sich der Grüne über Lauschangriff und drohende optische Überwachung. Doch auch das konnte Westerwelle nicht anfechten, solange nur über Liberalismus, vulgo über seine Partei gesprochen und gestritten wurde. Da dies mehr oder minder den ganzen Abend der Fall war, konnte man getrost von einem Heimspiel vor fremdem Publikum sprechen. Selbst bei einem so urgrünen Thema wie der Forderung nach fünf Mark für einen Liter Benzin konnte Westerwelle mit mit der urliberalen Erfahrung des Umfallens dienen.

Umfallerpartei! Während Ströbele noch bemüht war, den Eindruck einer programmatischen Rolle rückwärts bei der Wahlaussage zu korrigieren, ließ Westerwelle die Zuhörer mit leidvoller Mine und mitleidsvoller Stimme wissen, daß so ein Image an einem klebe wie ein Kaugummi in den Haaren. Wer gegen den Strom schwimme, so Westerwelle, der dürfe nicht die eigene Wahlaussage außer Kraft setzen.

Womit wir bei den eingangs erwähnten Bildern wären. „Die Grünen sind immer gegen den Strom geschwommen. Dadurch sind sie überhaupt entstanden“, so hatte Ströbele den Westerwelleschen Grundwertekanon um einen vierten Wert ergänzt. Dieses Gegen- den-Strom-Schwimmen ist so etwas wie die politische Lebensphilosophie des 68ers, der zur Zeit in Berlin um das einzige aussichtsreiche Direktmandat für die Grünen kämpft. Wenn man lange genug gegen den Strom schwimmt, so Ströbeles Maxime, „fängt der Strom an, mit uns zu schwimmen“. Der Zuspruch der anwesenden Grünen war ihm gewiß. Daß Westerwelle trotzdem an diesem Abend einen Achtungserfolg nach Hause trug, mag wiederum seiner Hausphilosophie geschuldet sein: Man könne den Wind nicht wenden, aber man könne Windmühlen errichten. Ein Bild, zwar auf die globalisierte Wirtschaft gemünzt, doch von so sanfter und alternativer Anmutung, daß es sofort Zugang zu der Mentalität der Zuhörer eröffnete.

Nun sind Strom und Wind zwei zu unterschiedliche Elemente, die Frage nach der dritten Kraft konnte auch an diesem Abend nicht endgültig beantwortet werden. Doch immerhin kann Westerwelle für sich in Anspruch nehmen, meist ziemlich gut zu wissen, woher der Wind weht. Dieter Rulff