Wenn die Männer das Kämpfen leid sind

Früher wurde auf den Jahrestreffen der deutschen Männerbewegung heftig gestritten. Diesmal herrschte weibliche Harmonie. Selbst die einst politisch unkorrekte Anwesenheit von Küchenfrauen wurde nun toleriert  ■ Aus Hanau Manfred Otzelberger

Im großen Saal des hessischen Jugendzentrums Ronneburg bei Hanau herrscht Silentium. Das Schweigen der Männer – über 100 sitzen auf dem Parkettboden – dauert exakt zwei Minuten, ehe ein dreifaches Om das Plenum eröffnet. Es ist der dritte Tag des bundesweiten Männertreffens, das jährlich stattfindet und diesmal völlig ausgebucht war: 140 Männer und 20 Kinder – das ist Rekord in der 15jährigen Geschichte dieser Festtage der deutschen Männerbewegung, die immer am Himmelfahrtstag, dem landläufigen Vatertag, beginnen.

Der Anspruch ist immer der gleiche: Männer, die sich „jenseits von Konkurrenz, Männerbündelei und Diskriminierung“ zusammen- und auseinandersetzen wollen, „männerkritisch und männerfreundlich“ zugleich. Die Hälfte sind alte Hasen der Bewegung, die Hälfte jeweils Neulinge, die anfangs noch unsicher herumstehen, aber für ständige Blutauffrischung sorgen. „Von Fröschen und Prinzen“ hieß diesmal das ebenso poetische wie diffuse Motto, was soviel bedeutet, daß thematisch hier alles möglich ist. Jeder darf einen „Work- oder Joyshop“ anbieten, bunt ist die Themenpalette, die auf handgeschriebenen gelben Zetteln an einer Pinnwand hängt: Lyrik für Männer – Rilkes phallische Gedichte. Der Froschkönig – Weisheit im Märchen. I'm a chatman – Onlinesex, sich virtuell und wirklich verlieben. Unsicherheit – Wunsch nach und Angst vor Nähe. Repressive Sexualmoral – wo liegen meine Grenzen? Körperbemalung. Traumreisen. Oder schlicht und einfach nur Fußball. Karl-Heinz kickt mit, für den 46jährigen Fotografen sind diese vier Tage „wie sechs Wochen Urlaub“.

Männerforscher Dieter Schnack ist erholter angekommen, sein Workshop über Homophobie ist überfüllt. Schnacks Kernthese: „Die Schwulen wissen viel mehr über die Heteros als umgekehrt. Die Heteros formen sich ihr Bild aus Vorurteilen und Projektionen, bestenfalls betüteln sie Schwule.“ Auch sich selbst nimmt Schnack im Blick auf männliche Verklemmtheiten nicht aus: „In meinem Buch ,Die Prinzenrolle‘ habe ich kaum etwas über Schwule geschrieben, weil ich nicht ins Fettnäpfchen treten wollte. Wir hatten keine Lust, uns mit schwulen Männern zu befassen, das Thema war für uns nicht spannend, sondern ,wichtig‘.“ Die Angst vor schwuler Anmache haben viele Neulinge, aber Grenzüberschreitungen beim Männertreffen sind die absolute Ausnahme. Uwe, ein Ingenieur, spricht für viele: „Mir geht es hier nicht um Affären, die kann ich woanders leichter haben. Das steht hier wirklich nicht im Vordergrund.“

Sehr wohl geht es aber vielen gegenüber der trutzigen Ronneburg, deren Türme phallisch in den Himmel ragen, darum, Berührungsängste im Umgang mit Männern abzubauen. Ferdinand, mit 60 Jahren der Senior des Männertreffens, hat da riesige Fortschritte gemacht. Der bärtige Franke, der beim Nürnberger Straßenbauamt beschäftigt ist und standesgemäß mit seinem Chopper auf die Ronneburg gekurvt ist: „Ein Herzinfarkt war für mich der Auslöser, daß ich mehr für mich tun muß. Ich hatte früher viele Hemmungen, auf Männer zuzugehen, im Kneipengespräch ging es nie ums Eingemachte. Jetzt kann ich meine Söhne in den Arm nehmen, und auch meine Frau hat viel davon. Die schickt mich hierher, ich kann das nur jedem Mann, der sich entwickeln will, empfehlen.“

Auch Georg, Sekretär des Essener Männernetzwerks „Pfefferprinz“ und Archivar der antisexistischen Männerzeitschrift Moritz, hat das Wohlwollen seiner Frau, mit der er seit 13 Jahren monogam zusammenlebt. Der Duisburger, der einen Väterworkshop anbietet, hat zweimal Erziehungsurlaub genommen, seine Frau konnte ihr Studium in Ruhe fortsetzen. „Ich hätte als Hausmann gut weiterleben können, aber jetzt muß ich als Altenpfleger erst einmal Geld verdienen, weil meine Frau als Biologin keinen Job gefunden hat.“

Georg hat seine Kinder dabei, sie werden von Erziehern beim Männertreffen versorgt. Die Organisation eines völlig unorganisierten Haufens klappt prima, selbst für Drecksarbeit wie Kehren und Aufräumen nach der Fete finden sich immer wieder Männer. Bewegungsveteran Peter: „Die Stimmung auf diesem Männertreffen ist Friede, Freude, Eierkuchen, früher gab es jedes Jahr einen Eklat: Mal ging es um zu viele langhaarige Männer, dann um die Anwesenheit von Reportern oder besonders perfide feministische Reporterinnen, die die Atmosphäre gestört hätten, dann um die Legitimität von Box-Workshops oder geplante Exkursionen in Bordelle, um der Vereinzelung von verklemmten Bewegungsmännern bei der Prostitution entgegenzuwirken. Auch der Konflikt zwichen politisch orientierten Hirnies und Bauchies, die nur auf körperliche Selbsterfahrung aus sind, scheint ausgeräumt.“ Und die Gretchenfrage – sollen Männer beim Männertreffen auch selbst kochen – wurde pragmatisch entschieden. Die Küchenfrauen wurden toleriert, auch weil sich manche Männer mit Grausen an Männertreffen erinnerten, wo ein „ungenießbarer Schweinefraß“ hingestellt wurde – unter anderem ungekochte Körner für die Vegetarier.

Schnee von gestern. Die Bewegung ist undogmatischer geworden. Wenigstens der Hund eines Teilnehmers ist noch politisch korrekt: Ki, eine Mischung aus einem ungarischen Hirtenhund und einem Rottweiler, ist ein Männchen. Er wird beim Männertreffen gehätschelt, nur furzen tut er etwas streng. Da ging es im Männer- Riech-Workshop etwas feiner zu: „Eine nasale Verführung“, schwärmt ein Mann an der Pinnwand: „Manche Männer könnten sich in Flacons füllen.“