Lein oder nicht Lein

Bezirk Hamburg-Nord provoziert die VerfechterInnen des ungebundenen Hundelebens  ■ Von Heike Dierbach

„Das weiß man doch!“ Karin Peupes Glauben an die parlamentarische Demokratie ist sichtlich erschüttert. Bringt diese doch PolitikerInnen hervor, die nicht einmal wissen, wieviel Freilauf ein Hamburger Hund täglich braucht! „Ich hatte mal zwei Katzen“, verteidigt sich GALier Michael Tilgner gegen die erboste Hundehalterin.

Die Zähne wurden gefletscht auf der Kerngebietsausschußsitzung des Bezirks Hamburg-Nord am Montag abend – „hochbrisantes“ Thema: Leinenzwang für Hunde in Grünanlagen. Eine entsprechende Verordnung aus dem Jahre 1975 möchte die SPD Nord jetzt durchsetzen aufgrund zahlreicher Klagen von BürgerInnen, die von freilaufenden Hunden angesprungen werden oder des öfteren Kot von ihren Schuhsohlen kratzen.

Von denen erschien allerdings niemand auf der Versammlung, denn „die sind nicht organisiert“, weiß Michael Tilgner von der GAL Nord. So sahen sich die Bezirksfraktionen von SPD, CDU und GAL ausschließlich konfrontiert mit rund 60 leidenschaftlichen HundehalterInnen aus ganz Hamburg, darunter ExpertInnen wie eine Tierpsychologin, eine Sozialpädagogin und die Gattin eines Tierarztes.

„Das Problembewußtsein fördern und einen Konsens finden“ möchte Tilgner mit der Veranstaltung. Eigentlich kein Problem, denn auch die Tierfreunde wünschen sich wieder „mehr Miteinander“ in der Großstadt: Wenn so ein großer Hund fröhlich auf das Kleinkind zulaufe, brauche Frauchen doch nur zu rufen „Der beißt nicht!“ – und schon käme man ins Gespräch, berichtet Anett Mai von der Interessengemeinschaft „Leinenlos“. Die Initiative hat 3205 Unterschriften gegen den Leinenzwang gesammelt, denn „wenn man meinen Hund diffamiert, gehe ich in die Offensive!“ ruft Mai. Das ist das Stichwort für eine ältere Dame, deren Mann „fürs Vaterland gekämpft“ hat und die sich jetzt nicht auch noch den Hund an die Leine legen läßt. Spontaner Beifall.

Thomas Domres von der SPD beschwichtigt, man wolle doch nur einige Flächen sperren und dafür andere freigeben. Doch den HundefreundInnen geht es auch um den Platz ihrer Lieblinge in der Gesellschaft. Die zweifache Hundemutter Andrea Rose bringt es auf den Punkt: „Ich schaffe mir selbst ja auch keine Kinder an und bepöble trotzdem keine Eltern!“ Die Diskussion wird fortgesetzt.