Auschwitz und ältere Jugendliche

■ Neue Schwerpunkte im Hörspielprogramm des NDR

Manchmal hat ein halbes Jahr sieben Monate. Für die Hörspielredaktion des Norddeutschen Rundfunks jedenfalls beginnt die zweite Hälte des Jahres bereits am 1. Juni: „Die Programmreform von NDR 4 zum Monatsanfang ließ es uns sinnvoll erscheinen, auch mit unserem Programm einen Monat früher zu beginnen“, erläutert Marion Fiedler, Leiterin der Hörspielredaktion. Probleme mit der neuen Struktur sieht sie nicht. Zwar wird NDR 4 zur Infowelle, „allerdings nur tagsüber. Die Hörer werden weiterhin ein wenig verändertes Abendprogramm empfangen können.“ Einzig Krimifreunde werden sich ein wenig umstellen müssen: Die Radiostücke um Mord und Totschlag wandern am Sonnabend von 17.00 auf 21.00 Uhr.

Zwei Schwerpunkte hat der Sender im kommenden halben Jahr geplant. Zum einen werden in „Überlebensbilder“ Produktionen vorgestellt, die Menschen gewidmet sind, die der Vernichtung durch die Nationalsozialisten entgingen. Eingeleitet wird die Reihe am 14. Oktober durch George Taboris Klassiker Mutters Courage aus dem Jahre 1979. Der Regisseur berichtet sensibel von der Deportation seiner Mutter nach Auschwitz und ihrer Rettung. Ein Höhepunkt ist am 2. Dezember die Ursendung von Kindertransport nach dem gleichnamigen Theaterstück der Liverpooler Autorin Diane Samuels. Erzählt wird von der neunjährigen Jüdin Eva Schlesinger, die 1939 von Hamburg mit einem britischen Hilfsprogramm nach England geschickt wird und später, mit ihrer überlebenden Mutter konfrontiert, ihre Wurzellosigkeit eingestehen muß.

Der Schwerpunkt „Wut im Bauch – Jugend 98“ beschäftigt sich mit der Aggression und Gewaltbereitschaft von Jugendlichen in unserer Gesellschaft. Auch hier steht am Anfang ein Klassiker: Alfred Anderschs Der Tod des James Dean aus dem Jahre 1959, allerdings neu montiert von Barbara Schäfer. „Die Wut im Bauch des Jahres 1998 ähnelt in gewisser Weise der Wut der Beat Generation in den 50ern“, erläutert Hilke Veth den programmatischen Überbau.

Leider sind auch etliche weitere Hörspiele dieser Reihe älteren Datums, und keiner der Autoren ist unter 30 Jahre alt. „Die wollen alle Bücher machen oder ans Theater“, ist nach Marion Fiedler der Grund für dieses Dilemma, „die muß man richtig zum Hörspiel führen.“ Vielleicht sorgt ja das wieder steigende Interesse der Hörer dafür, daß auch die Schriftsteller das Radio wiederentdecken. Eberhard Spohd

Das Programmheft ist für 3,50 Mark anzufordern bei: NDR, Redaktion Hörspiel, Rothenbaum-chaussee 132, 20149 Hamburg.