Raabs zweiter Bildungsweg

Senatorin weicht zurück: Hamburgs Schulen sollen Lehrer behalten und dafür Sachmittel sparen. Dennoch morgen großer Protesttag  ■ Von Karin Flothmann

„Wir diskutieren nicht darüber, ob wir lieber die Pest oder die Cholera bekommen wollen!“ Anna Ammonn, Chefin der Hamburger GEW, kann fuchtig werden, wenn sie auf die Sparvorschläge von Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) vom März dieses Jahres angesprochen wird. Aus Protest gegen die vorgesehenen Stellenkürzungen bei den LehrerInnen hat ihre Gewerkschaft zusammen mit SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen den morgigen Tag zum Akt-ionstag auserkoren (siehe Kasten). „Unser erklärtes Ziel ist es“, so Ammonn, „daß GAL und SPD ihren Koalitionsvertrag verändern.“

Doch die Heftigkeit, mit der die OrganisatorInnen gestern vormittag ihren Protest ankündigten, verlor schon am Nachmittag an Schärfe. „Hiermit“, erklärte Schulsenatorin Raab da, „möchte ich allen, die am Aktionstag teilnehmen, die Möglichkeit geben, zu wissen, wogegen sie eigentlich demonstrieren.“ Zusammen mit der GAL und ihrer SPD hat Raab neue Eckpunkte für das Sparen an den Schulen erarbeitet, die im Juli Grundlage der Haushaltsberatungen sein sollen.

Danach sollen nun bei den LehrerInnenstellen keine Kürzungen mehr vorgenommen werden. Statt dessen will die Senatorin die Sparquote mit Hilfe von Kürzungen bei den Sachmitteln erfüllen. Zehn Millionen Mark sollen so an den Schulen jährlich eingespart werden; angefangen bei den Kosten für Strom oder Heizung bis hin zum Geld für Lehr- und Lernmittel, bei denen die Behörde künftig Preissteigerungen nicht mehr berücksichtigen will. Außerdem werden Auslandsaufenthalte von SchülerInnen der Oberstufe künftig nicht mehr generell, sondern nur noch abhängig vom Einkommen der Eltern gefördert. „Das allein“, erläuterte Christa Goetsch, schulpolitische Sprecherin der GAL, „bringt schon zwei Millionen Mark.“

Auch die geplanten Kürzungen von Teilungsstunden, in denen SchülerInnen beispielsweise getrennt nach Leistung unterrichtet werden, nimmt Raab größtenteils zurück. In Gymnasien und Gesamtschulen bleibt diesbezüglich alles beim alten. Zum Ausgleich wird die Klassenstärke in der Oberstufe von 20 auf 22 SchülerInnen vergrößert. Bei Haupt- und Realschulen müssen dagegen rund 20 Prozent der Teilungsstunden eingespart werden. „Die Stunden für Deutsch als zweite Fremdsprache“, betonte Goetsch, „sind von Kürzungen aber ausgenommen.“ Und die berufsbildenden Schulen, die nach den Sparvorschlägen vom März 590 Lehrerstellen abbauen sollten, müssen nur noch 400 Stellen einsparen.

Um langfristig gerechtere Arbeitszeiten für LehrerInnen an den verschiedenen Schulformen zu entwickeln, wird sich außerdem eine Expertenkommission mit der Entwicklung neuer Arbeitszeitmodelle beschäftigen. Jahresarbeitskonten stehen ebenso auf dem Prüfstand wie die angemessenere Berücksichtigung von tatsächlicher Lehrerleistung. Entsprechende Vorschläge der GAL sind hier fast unverändert in das Raab-Konzept eingeflossen. Möglichst zügig soll außerdem ein Altersteilzeitmodell für LehrerInnen umgesetzt werden. Angesichts überalterter Lehrerkollegien, so Goetsch, sei das „eine Chance, endlich auch jüngere Kollegen wieder einzustellen“.

„Das alles ist sicher ein erster Erfolg unseres Protests“, kommentiert GEW-Chefin Ammonn die Raabschen Eckpunkte. „Aber es ist noch längst kein Grund für uns, morgen weniger heftig die Stimme zu erheben.“