Straßenbahnschienen besetzt

■ Rund 500 SchülerInnen demonstrierten gegen Kürzungen

Die Revolution dauerte 35 Minuten. Solange hielten gestern mittag einige hundert SchülerInnen die Straßenbahnschienen vor dem Hauptbahnhof besetzt. Die Gesamtschülervertretung hatte zur Demonstration gegen die Kürzungen im Bildungsbereich aufgerufen. „Wir kämpfen für unsere Zukunft“, skandieren die rund 500 Jugendlichen. Doch auch woanders drückt sie der Schuh. Durch die „40-Stunden-Woche“ an der Universität würde den StudentInnen „die Zeit genommen, Reflektion und Kritik zu entwickeln und die Gesellschaft als Ganzes zu begreifen.“ „Orientiert Euch nicht an den Lehrenden, sie bescheißen Euch nur“, mahnt eine Rednerin. Wie hoch sind eigentlich die Streichungen im Bildungsbereich? „Keine Ahnung“, antwortet ein Schüler. „Hoch jedenfalls.“ Zweiter Versuch. Wie hoch sind die Streichungen im Bildungsressort? „Ich weiß es nicht genau. Ich weiß nur, daß wieder gekürzt wird.“ Dritter Versuch. „Weiß ich nicht. Wir bekommen die Kürzungen täglich zu spüren. Wir brauchen jüngere Lehrer und neue Bücher.“ Auch das Bildungsressort braucht eine Weile, um die Kürzungen aus dem Haushalt herauszusuchen. 9,5 Millionen Mark sind es für das Jahr 1998.

„Wehrt Euch, leistet Widerstand – gegen die Bildungspolitik im Land“. Im Schneidersitz haben sich die Demonstranten auf den Schienen niedergelassen. Der Straßenbahnfahrer der Linie 5 kommt nicht weiter. Seelenruhig liest er Zeitung. „Worum geht's hier eigentlich“, will ein Passant von zwei Mädchen wissen. „Neue Lehrer, junge Lehrer“, antwortet eines der Mädchen. „Und deshalb wird der ganze Verkehr lahmgelegt?“ „Ja“, antworten die Mädchen. „Ist ja doll“, lacht der Mann und eilt weiter.

Auf der Kreuzung in Richtung Rembertiring geht es weniger friedlich zu. Ein dunkelblauer Mercedes-Benz steht mitten auf der Straße. Die Demonstranten versperren den Weg. „Scheiß Benz“, ruft jemand. Sekunden später fliegt eine Duracell-Batterie durch die Luft in Richtung des Mercedes. Die Batterie trifft ein Mädchen an die Schläfe. Das Mädchen reibt sich mit der Hand die Schläfe und verläßt die Gruppe.

„Die Demo ist zuende“, dröhnt kurz darauf durchs Megaphon. Langsam stehen die SchülerInnen auf und verlassen die Kreuzung. Den Polizisten steht die Erleichterung über das Ende der Besetzung im Gesicht geschrieben. Ein Polizist verabschiedet die Demonstranten: „Einen schönen Tag wünsche ich Euch noch.“

Kerstin Schneider