Klicke di Klack Von Carsten Otte

Sie trugen einen Strohhut und ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift: „Tap-O-Mania“. Tausende in allen Alterslagen zogen mit klappernden Schuhen am Sonntag durch die Innenstadt von Stuttgart. Genauer gesagt: 6.951 Steptänzer klackerten und wackerten durch die Schwabenmetropole. Wie konnte das passieren?

Wenn in Deutschland etwas nicht stimmt, wenn Dinge getan werden, von denen keiner ahnt, daß sie möglich sind, dann ist in der Regel das Guinnessbuch der Rekorde daran schuld – eine Institution, die Mitmenschen dazu veranlaßt, zum Beispiel stundenlang seiltanzend und jonglierend abwechselnd Arien von Mozart und Wagner zu singen, bis der Bucheintrag geschafft ist und eine aparte Schönheit ihnen einen Blumenstrauß überreicht und Küsse auf die Wangen haucht. Insofern stand in Stuttgart Ungeheures bevor: Letztes Jahr erst hatten 6.653 Stepper in New York einen Tap-Rekord aufgestellt. Der sollte nun gebrochen werden.

Was die New Yorker können, ha, das können die Stuttgarter schon lange, meinten die Marketing-Experten der Stadt, die seit der letzten öffentlichen Kehrwochenaktion arg in Verruf geraten waren. Und tatsächlich hatten sich bei der Meldestelle des Guinnessbuches die erwähnten 6.951 Rekordanwärter registrieren lassen, um gemeinsam am Weltsteptag auf dem Stuttgarter Marktplatz nach dem von Tanzlehrer Ray Lynch komponierten Song „Klicke di Klack“ die Beine und Arme zu bewegen.

Und eigentlich sollte um zwei Uhr Meldeschluß sein. Doch da fehlten noch fast tausend Mittänzer zum Rekord. Ray Lynch sagte, er habe sich gefreut, daß überhaupt so viele Stuttgarter gekommen seien, als plötzlich sein schwäbischer Moderatorenfreund Michael Irgendwas auf die Bühne stürmte und die Stepgemeinde aufforderte, alle Schwaben und alle Nichtschwaben in allen Gassen, die ohne Step-Hut und Step-Hemd gesichtet werden, zur Weltrekordsammelstelle zu zerren.

Ich sah fassungslos zu, wie eine hochagile Dame einen Mittdreißiger im Nadelstreifenanzug über den Marktplatz drückte und dem armen Kerl ins Ohr flötete, er werde ihr auf keinen Fall entkommen. Der Mann hatte wahrlich keine Chance, der Lady zu entfliehen, weil ringsum applaudierende Sympathisanten den Steptanzopfern den Weg versperrten.

Hinter einer Litfaßsäule verborgen, beobachtete ich das Treiben und stellte fest, daß auch die beste Walzer-Foxtrott-Cha-Cha-Cha- Tanzschulerfahrung nicht zum Steppen ausreicht. Man benötigt vor allem schöne schwarzweiße Schuhe mit Eisenplatten unter der Sohle: Klappern gehört zum Handwerk. In meiner Nähe tanzte zum Beispiel ein gut siebzigjähriger Herr, der überraschend flott mit einem solchen Schuhwerk stampfte und damit besonders die jungen Mittänzerinnen in seiner Umgebung nachhaltig beeindrucken konnte. Während der letzten Probe für den Weltrekordtanz – der später übrigens zweimal aufgeführt werden mußte, weil die Fernsehteams mehr Schnittbilder haben wollten – brüllte der Stepsenior gar laut und deutlich „Yeah!“, worauf ihm gleich drei junge Damen fröhlich lächelnd zur Seite sprangen.

Da habe ich dann auch mitgemacht.