Wir lassen lesen
: „Springen wie Katzen, laufen wie Gazellen“

■ „Schwarze Sterne“ beschreibt Aufstieg und Mißbrauch des afrikanischen Fußballs

Anthony Yeboah hat in der Bundesliga schon bessere Tage erlebt als in der jetzt beendeten Spielzeit beim Hamburger SV. 1992 und 1993 schoß und köpfte er für Eintracht Frankfurt ein schönes Tor nach dem anderen. Fachpresse und Fans waren aus dem Häuschen, eine Percussion-Gruppe begleitete jede gelungene Aktion des Stürmers mit lautem Getrommel, die „Zeugen Yeboahs“ feierten ihren Star aus Ghana.

Allerdings durchlitt der Afrikaner hierzulande auch schon schlechtere Zeiten. Als Yeboah Ende der achtziger Jahre beim Zweitligisten 1. FC Saarbrücken seinen ersten Vertrag in Deutschland unterschrieb, wurde er in nicht wenigen Stadien als „Schwarzer Affe“ und „Nigger-Sau“ beschimpft. Rassistische Zuschauer warfen Bananenschalen nach ihm, und sein eigener Trainer Klaus Schlappner pflegte, kam die Rede auf Yeboah, nur von „meinem Schwarzwäldler“ zu sprechen.

Die wechsel- und teilweise durchaus leidvollen Karrieren Anthony Yeboahs und anderer Afrikaner wie Souleyman Sané, Bachirou Salou oder Jonathan Akpoborie – ihn ließ der ehemalige NPD-Kandidat Schlappner beim Training Schneemänner bauen – im bezahlten deutschen Fuball beschreiben zwei Berliner Journalisten in ihrem Buch „Schwarze Sterne und Pharaonen“. Darüber hinaus untersuchen Eva Apraku und Markus Hesselmann die Ursachen und Hintergründe für den Aufstieg des afrikanischen Fußballs und den Wandel in bezug auf seine Wahrnehmung und Wertschätzung in der Öffentlichkeit.

Seit der WM 1974, als WDR- Spesenritter Ernst Huberty in jener damals bei Sportjournalisten beliebten Tiermetaphorik die Spieler aus Zaire „springen wie Katzen“ und „laufen wie Gazellen“ sah, denen es allerdings schwerfiel, „aus zehn Metern eine Pyramide zu treffen“ (Schottlands damaliger Coach Willie Ormond), und die deshalb bei dem Turnier ohne Tor und Punkt blieben, hat sich einiges verändert. Bei den WM- Turnieren von 1990 und 1994 drangen Kamerun und Nigeria bis ins Viertel-, resp. Achtelfinale vor. Nigeria wurde 1996 Olympiasieger und wird bei der kommenden Weltmeisterschaft in Frankreich als einer der sogenannten „Geheimfavoriten“ gehandelt. Zudem dürfen mit Kamerun, Südafrika, Marokko und Tunesien vier weitere afrikanische Mannschaften mittun – Afrika ist neben Südamerika und Europa zu einer Größe im Fußball geworden.

Und doch ist die afrikanische Fußballgeschichte von ihren Anfängen – als die britischen Kolonialisten Ball und Spiel nach Ägypten und Nigeria, nach Südafrika und an die Goldküste brachten – bis heute nicht nur eine Erfolgsstory. Die Betrachtung ausgewählter Länder wie Ghana oder des in den letzten Jahren besonders ins Zwielicht geratenen Nigeria zeigt auch Mißstände auf: Politische Wirren und diktatorische Regimes, soziale Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftemacher trüben die Freude über den Siegeszug des schwarzen Fußballs. Reimar Paul

Eva Apraku, Markus Hesselmann: „Schwarze Sterne und Pharaonen“. Verlag Die Werkstatt, Göttingen 1998, 28 DM