Ein Kriegsverbrecher als Patriot

■ Der japanische General und Kriegstreiber Hideki Tojo wird in einem aufwendigen Film als ruhiger Familienvater dargestellt. Die Produzenten hoffen auf die Rechtsradikalen als Publikum

Tokio (taz) – Mehr als 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg reden Japaner und Japanerinnen nur mit großem Widerwillen über diese Zeit. Geläutert vom kolonialistischen Abenteuer in Asien, das nahezu zwanzig Millionen Menschen das Leben kostete, hat sich die Inselnation in eine moderne Informationsgesellschaft mit fest verankerten demokratischen Institutionen verwandelt. Nie und nimmer kann dieser Staat wieder eine militärische Bedrohung werden für Asien.

Das ist das Image, das von Diplomaten und Konzernbossen, von Professoren und Gruppentouristen im Ausland beharrlich verbreitet wird.

In diesem Punkt war sich Nippon bis vor kurzem einig. Nun hat aber ein aufwendiger Film über General Hideki Tojo, den Hauptangeklagten der Tokioter Kriegsverbrecherprozesse, eine Kontroverse über die Rolle der japanischen Armeeführung im Zweiten Weltkrieg entfacht. „Stolz“ heißt der Streifen und läuft seit Samstag in den wichtigsten Kinos des Landes. Darin wird General Hideki Tojo nicht als Kriegstreiber, sondern als patriotischer Familienvater und Hobbygärtner gezeichnet, der von einem voreingenommenen Kriegsverbrechertribunal zum Tode verurteilt wird.

„Japan muß endlich wieder stolz sein auf seine Vergangenheit“, begründet Katsuaki Asano, Präsident der rechtsgerichteten Tokyo Film Production, die 20 Millionen Mark, die für die Dreharbeiten aufgewendet wurden. Regisseur Shunya Ito, bekannt geworden mit ruhigen Dokumentarfilmen über sozial Benachteiligte, nimmt Versatzstücke aus zeitgenössischen Nachrichtensendungen und setzt sie in Kontrast zu dem Familienleben des Generals.

Hideki Tojo kommt als stiller Held daher. Da fehlen Aufzeichnungen seiner aufreizenden Reden an die Nation, keine Sequenz aus dokumentierten Geheimerlässen über medizinische Experimente an lebenden Kriegsgefangenen ist einbezogen. Dafür wird ein australischer Richter im noblen Hotelzimmer beim Gin-Trinken gezeigt, während der General zu Hause im Garten Karotten aussät, um die Familie zu ernähren.

Mehr als 200 Journalisten und Filmkritiker haben sich Ende April getroffen und „faktisch“ beschlossen, den Film nicht zu besprechen. „Es ist, als ob in Deutschland ein lobender Film über Hitler gedreht würde“, sagte Kazuo Yamada, einer der renommiertesten Filmkritiker. So ist auch bisher keine richtige Kontroverse in Gange gekommen. Im Tokioter Kino Ginza waren am Sonntag etwa 20 ältere Herren im Saal. Direkt daneben standen Hunderte von Jugendlichen für einen neuen Comicfilm an.

Nach der Vorführung wollte nach langem Drängen nur der 76jährige Hiroshi etwas sagen: „General Tojo wurde alle Schuld aufgeladen, das war unfair.“ Hiroshi hat den Krieg als Soldat in China verbracht. „Wir haben die Erlebnisse aus dem Krieg tief in uns begraben und niemandem weitererzählt. So soll es auch bleiben“, fügte er beim Weggehen hinzu. Doch die Produzenten rechnen mit einem anderen Publikum, das die Kasse noch zum Klingeln bringen soll: die 120.000 organisierten Rechtsextremen im Lande und ihre Anhängerschaft. André Kunz