Beim Asylrecht die Hoffnung aufgegeben

■ Vor fünf Jahren wurde das Recht auf politisches Asyl im Grundgesetz eingeschränkt. Grüne und Pro Asyl sehen heute kaum Chancen auf eine baldige Veränderung. Statt einer Rückkehr zum alten Recht werde

Fünf Jahre, nachdem der Bundestag das Grundrecht auf Asyl in Deutschland massiv beschnitten hat, haben die Grünen und Flüchtlingsorganisationen die Hoffnung aufgegeben, die Einschränkungen könnten in absehbarer Zeit rückgängig gemacht werden. Resigniert zogen in getrennten Pressekonferenzen die Grünen und „Pro Asyl“ eine Bilanz der Chancen für eine Liberalisierung der Flüchtlingspolitik. „Wir müssen anerkennen, daß die von uns gewünschte Wiederherstellung des Artikels 16 Grundgesetz zur Zeit unmöglich ist“, heißt es in einer Erklärung des grünen Vorstandsprechers Jürgen Trittin in Bonn.

In Artikel 16, jetzt 16 a, steht der Satz „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, dessen allgemeine Schutzgarantie für Flüchtlinge durch den sogenannten Asylkompromiß zwischen Regierungskoalition und SPD stark verwässert wurde (siehe Kasten rechts). Trittin ließ offen, ob sich seine pessimistische Prognose auch auf die Zeit einer möglichen rot-grünen Koalition in Bonn bezieht.

Pro Asyl forderte gestern in Frankfurt am Main von einer neuen Bundesregierung vor allem Korrekturen im Ausländer- und im Asylverfahrensgesetz. „Wir verlangen nicht die Rückkehr zum alten Asylartikel im Grundgesetz; nicht weil wir das nicht wollten, sondern weil wir Realisten sind“, sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. SPD und Bündnisgrüne hätten nach einem möglichen Wahlsieg im Herbst allerdings dafür zu sorgen, daß die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskommission und der Europäischen Menschenrechtskommission „in Deutschland wieder uneingeschränkt Geltung erlangen“.

In Zusammenarbeit mit dem Rechtsanwalt Victor Pfaff hat Pro Asyl einen Forderungskatalog erstellt, der von Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Initiativgruppen unterstützt wird. Im einzelnen müsse etwa die sogenannte Drittstaatenregelung verändert werden, weil dadurch über mögliche Menschenrechtsverletzungen pauschal statt individuell entschieden werde. Die Regelung sieht vor, daß Flüchtlinge keinen Anspruch auf Asyl erheben können, wenn sie über Länder einreisen, die von der Bundesregierung als sicher eingestuft werden. Mit einer Ergänzung des Ausländergesetzes hofft Pro Asyl darüber hinaus, Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten besser zu schützen. Nach der derzeitigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird Flüchtlingen der asylrechtliche Schutz verweigert, wenn in ihrer Heimat die staatliche Ordnung zusammengebrochen ist. Die Begründung: Politische Verfolgung im Sinne des Asylrechts könne nur vom Staat ausgehen. Damit werden nach Überzeugung von Flüchtlingshilfsorganisationen vor allem Menschen aus Afghanistan oder Somalia aus der Schutzgarantie des Grundgesetzes „herausdefiniert“.

Neben der Einschränkung des Asylrechts wurde 1993 auch das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erstmals verschärft. Dadurch wurde die medizinische Behandlung für Flüchtlinge auf akute und schmerzhafte Erkrankungen beschränkt. In der Folge würden sie medizinisch wesentlich schlechter versorgt als Deutsche, erklärten Berliner Flüchtlingsberater gestern. Außerdem würden schwerkranke Ausländer, darunter Aids-, Krebs- und Dialysepatienten, in ihre Heimatländer abgeschoben. Derzeit berät der Bundestag über eine erneute Verschärfung des AsylbLG. pat/kpk