Den Feldherrn befällt die Lust am Untergang

■ Hans-Hermann Tiedje, der Rambo des deutschen Boulevardjournalismus, ist in seinem Element, wenn er arbeitsbesessen Ideen kreieren und seinen Mitarbeitern deren Umsetzung befehlen kann

Er wird geholt, wenn alles völlig aussichtslos scheint. So war es im Jahre 1995, als Gruner + Jahr ein Magazin gegen Spiegel und Focus aufbauen wollte. Oder 1996, als Dieter Bohlen die Negativschlagzeilen wegen der Trennung von Verona Feldbusch drohten. Dann kommt Tiedje mit seinen Kontakten von Gottschalk bis Schalck- Golodkowski und einer „Neandertaler-Mörder-Truppe“ aus rüden Boulevardjournalisten, wie es ein Bekannter nennt.

Beides will sich jetzt der Kanzler zunutze machen. Darüber hinaus die Fähigkeit des Rambos im deutschen Boulevardjournalismus, „aufzuregen, zu befriedigen und zornig zu machen“, wie es der 49jährige selbst beschreibt.

Die Aktionen des Hans-Hermann Tiedje sind immer spektakulär, aber nicht immer erfolgreich. Zuerst Chefredakteur bei der Bunten, feierte er Anfang der 90er als Chef der Bild-Zeitung die deutsche Einheit in schwarzrotgoldener Schmuckaufmachung. Doch mehr Aufsehen erregte ein Titel in der Steuerdiskussion 1991, als er Helmut Kohl flachlegte und als „Umfaller“ bespottete. Da sägte der Kanzler höchstpersönlich am Chefsessel, und schon ein Jahr später mußte Tiedje Bild verlassen.

Das nächste Mal wollte er „wie eine Feuerwalze“ über Deutschland kommen. Tango hieß das Projekt einer „Illustrierten“ des Konzerns Gruner + Jahr. Am liebsten stellte er sich vor den großen Feldherrentisch in seinem Tango-Büro. Krawatte runtergezogen, das Hemd geöffnet und eine Zigarre im Mund, machte sich Hans-Hermann Tiedje daran, Manuskripte und Skizzen der Mitarbeiter von Tango auseinanderzunehmen und ihnen zu erklären, wie es wirklich funktioniert mit dem Boulevardjournalismus. Und wenn es sein mußte, jagte er schon mal ein paar Sonderkorrespondenten wegen eines Schiffsunglücks an die afrikanische Küste, was einmal so rasch gehen mußte, daß die Reporter im falschen Staat landeten.

Da war Hans-Hermann Tiedje in seinem Element: Eine Idee kommt ihm in den Kopf, und schon kann er die Umsetzung befehlen. So beschreiben es ehemalige Mitarbeiter von Tango, und so sieht er sich selber gern. Schade nur, daß das „illustre Kompetenzmedium“ Tiedje nach 23 Ausgaben eingestellt wurde und dem Verlag 60 Millionen Mark Verluste blieben.

„Für mich hat Hans-Hermann eine Meise“, sagt ein Weggefährte. „Und das kann man nur mit seinem Hang zur Selbstdarstellung und zur Eitelkeit erklären.“ So einem gefällt es, wenn ihn der Kanzler ruft.

Nachdem der Tango ausgetanzt war, verdiente sich der Arbeitsbesessene sein Geld als Berater mit seiner Firma TV Medien Management GmbH. Zu seinen Klienten gehörten Boxer, Schauspieler und eben auch DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski. „Wenn Sie den haben, kommen Sie noch an ganz andere Leute ran“, wurde Tiedje einmal zitiert. Dann kam die Aktion mit Dieter Bohlen, der nicht wußte, wie er das Ehedrama mit Verona Feldbusch den Medien erklären sollte. Tiedje riet ihm, in die Offensive zu gehen, und brachte ihn in allen Boulevardblättern und Talkshows unter, wo Bohlen über die gemeine Verona greinen durfte („Als ich fragte, was es zu essen gebe, meinte sie nur: ,Fahr ins Nachbardorf‘“).

Während er alle berate, so wird erzählt, nehme er nie einen Rat an. Vielmehr sammle er Informationen aus seinem illustren Kreis an Bekannten und Freunden, und so entstünden die Ideen, die er dann sofort in die Tat umsetzen will.

In den vergangenen Wochen tauchte Tiedje, mit grünem Jackett im Prolo-Schick gekleidet, im Fernsehen auf. Bei „Sabine Christiansen“, wo er die ach so seriöse Bild gegen die bösen Schmuddel- TV-Talks abgrenzte. Und auch beim Nachrichtensender n-tv. Die Koalitionsparteien, erzählte er da, seien wohl von der „Lust am Untergang“ befallen. Sie brauchten endlich andere Themen. Die bringt Medien-Rambo jetzt persönlich. Georg Löwisch