Das geläuterte Wunderkind

■ Der Pianist und Verwandlungskünstler Ahmad Jamal wendet musikalische Traditionen gekonnt in avancierter Praxis an

Schon in seinem Namen klingt ein Zauber an. Und mit einem Verwandlungskünstler hat man es bei Ahmad Jamal tatsächlich zu tun. Was dieser 1930 als Fritz Jones in Pittsburgh/Pennsylvania geborene Jazz-Pianist über die Jahrzehnte konsequent verfeinert hat, legt er heute unerschrocken an den Tag. Jamal betreibt keine Verwaltung von musikalischer Tradition, sondern ihre Anwendung in einer avancierten Praxis. Nichts Abgegriffenes kommt diesem Mann am Klavier unter die Finger, und sein Repertoire ist schier unwiderstehlich.

Kometenhaft stieg der junge Mr. Jones seinerzeit auf und hatte als geläutertes Wunderkind bereits in den frühen Fünfzigern ein paar regelrechte Hits. Doch wie das so ist mit dem Erfolg: Die Öffentlichkeit reduzierte Jamal in der Folge nur zu gern auf sein Paradestück „Poinciana“ vom Live at the Pershing-Album. In der Szene aber machte Jamals Einfluß unaufhaltsam die Runde. Spurenelemente seines Stils gingen in den Sound von Miles Davis ein, und natürlich machten sich auch Pianisten wie Bill Evans, Horace Silver oder Herbie Hancock seine Errungenschaften zunutze.

Dennoch hatte es Anfang der Sechziger den Anschein, als wollte Jamal schon den Vorruhestand als musikalischer Privatier ansteuern. Doch die Absenz – mit einem Intermezzo als ausübender Plattenproduzent – währte nicht lange. Jamals unermüdliches Bestreben, seinen ohnehin schon breiten stilistischen Kontext weiter zu variieren, ja manchmal fast aufs Spiel zu setzen, bescherte ihm seitdem wechselweise Achtungserfolge und splendid isolations als verkanntes Genie. Sein jüngster Streich aber, unter dem Titel The Essence auf zwei Platten dokumentiert, ist geradezu überwältigend. Das Interplay seines Trios mit dem Percussionisten Manolo Badrena raubt einem vor den heimischen Boxen den Atem. Zum Konzert in der Fabrik wird er drei Begleiter mitbringen: James Cammack ist der vorderhand letzte in der imponierenden Ahnenreihe von Jamal-Bassisten wie Richard Davis, Israel Crosby, Jamil Nasser und John Heard. Idris Muhammad am Schlagzeug gilt als unfehlbarer Timekeeper, erfinderischer Klangmaler und ausgekochter Souler dazu. Dazu mischt Othello Molineaux an den Steeldrums mit, seit seiner Mitwirkung in Monty Alexanders Ivory & Steel-Band bestens beleumundet.

Sobald aber Ahmad Jamal in die Tasten greift, wird seine frappierende Technik präsent und nie ein Bluff zu hören sein. Denn wie er Pausen setzt oder die Anschlags-dynamik dosiert, verrät den gestandenen Magier – und beweist, daß nichts für die Katz war in dieser Karriere, die durch Hochs und Tiefs nun schon ein halbes Jahr-hundert währt.

Andreas Schäfler

Fr, 29. Mai, 21 Uhr, Fabrik