Staatstheater goes Fitneß

■ Im Schauspielhaus gibt es „Brecht bis zum Umfallen“ und damit die Gelegenheit, Thomas Ostermeiers Mann ist Mann-Inszenierung zu sehen

Hochgezogene Schultern, Hände in Abwehrstellung, eingezogener Bauch und die Füße nach innen gedreht – eigentlich stehen die Schauspieler immerzu da, als seien sie gerade geprügelt worden. Andererseits sind sie in dieser geduckten Haltung enorm geschmeidig. Sie knallen ungefährdet auf den Boden, klettern senkrecht eine Wand hoch und grimassieren federnd mit dem ganzen Körper. Man nennt es Biomechanik.

Drei Monate lang wurde diese Produktion der Baracke des Deutschen Theaters Berlin geprobt, bevor sie im Juli letzten Jahres Premiere hatte. Mann ist Mann von Brecht auf der Grundlage von Wsewolod E. Meyerholds biomechanischer Methode. In den ersten zwei Probenwochen waren täglich fünf Stunden Körpertraining angesetzt — Staatstheater goes Fitneßpark. Baracken-Chef Thomas Ostermeier inszenierte, und der Schauspiellehrer Gennadi Bogdanow aus Moskau sorgte für die biomechanische Korrektheit. Theatralität als Formel und Kraftakt, sicher nicht jedermanns Sache.

Tatsächlich besteht das Ensemble zur Hälfte aus Schauspielstudenten. Von den bekannten Protagonisten des Deutschen Theaters hat nur Petra Hartung durchgehalten. So groß aber die Entfernung vom psychologisch motivierten Realismus Langhoffscher Prägung zu dem ist, was Meyerhold 1922 die „Taylorisierung des Theaters“ nannte, so kurz ist der Weg von dieser verfremdenden Methode zu Brecht. Bei einem Theater der kurzen Wege aber hat man dann auch schnell alles verstanden, und die Geschichte, wie britische Soldaten in Indien aus dem friedliebenden Packer Galy Gay eine Kampfmaschine machen, ist vor allem ein Anlaß zu zeigen, was man kann.

Dazu hat Jan Pappelbaum eine funktionelle Bretterbühne mit einer Schiene gebaut. Am Ende, wenn die Armee an die nördliche Grenze zieht, kann alles demontiert werden, bis nur noch die nackte Schiene daliegt, auf der ein Kanonenwagen mit Besatzung gegen Zivilisten rollt. Die Demontageszenen gehören zu den besten der Inszenierung. Der fiktive Druck, unter dem Brechts Soldaten stehen, übersetzt sich in den realen Druck, unter dem die größtenteils unerfahrenen Schauspieler stehen, wenn sie alle Bretter wohlchoreographiert und innerhalb des straffen Zeitplans abtransportieren und dabei noch vernehmlich singen müssen. Hier kommt die live rhythmisierte Inszenierung bei der Performance an, was zur Sportlichkeit des gesamten Projekts am besten paßt.

Ansonsten sind alle Hauptdarsteller hervorragend, wohingegen es bei den Nebenrollen immer mal wieder klappert, was die Sache dann sofort zum Erliegen bringt. Einerseits, andererseits. Eine schöne Übung in Sachen Formalisierung und eine zuweilen doch recht mühsame Verdeutlichung des Deutlichen. Aber in jedem Fall eine Arbeit, die mit soviel Begabung unterwegs ist, daß man auch Entgleisungen gerne verzeiht.

Petra Kohse

Gastspiel von Mittwoch, 3. Juni bis Freitag, 8. Juni, Malersaal (DSH)