Brandung bei der Deutschen Welle

■ Unruhe unter den freien Mitarbeitern des Staatsfernsehens. Wer nicht bis zum 1. Juni einer Tarifsenkung zustimmt, soll gehen. Widerstand der Beschäftigten könnte Sendebetrieb gefährden

Keine Bilder von Helmut Kohl mehr im Ausland? Die Voltastraße in Wedding könnte es möglich machen. Seitdem der Programmbereichsleiter der Deutschen Welle, Jörg Brüggemann, am Montag den freien Mitarbeitern eine Dienstanweisung zur Unterschrift vorgelegt hat, herrscht im Sender Unruhe wie schon lange nicht mehr. Der Personalrat sprach sogar von „Sendegefährdung“.

Mit der Dienstanweisung sollen die etwa 600 freien Mitarbeiter des Staatsfernsehens unter anderem der Abschaffung der Nachtzuschläge und weiteren Honorarkürzungen zustimmen, bevor am 18. Juni die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag wiederaufgenommen werden. Die erste Verhandlungsrunde war am 5. Mai gescheitert. Unmittelbar danach hatte Intendant Dieter Weirich in Köln den bestehenden Tarifvertrag einseitig gekündigt. In Berlin, wo das Fernsehen der Deutschen Welle produziert wird, wurde die von Weirich vorgelegte Interimsvereinbarung für die freien Mitarbeiter allerdings erst am Montag vorgelegt – als Dienstanweisung. Wer diese nicht bis zum 1. Juni, also innerhalb weniger Tage, unterschreibe, so lautete die Drohung der Programmbereichsleitung, werde ab 1. Juni nicht weiterbeschäftigt.

„Auf keinen Fall unterschreiben!“ lautet deshalb die Parole auf den Flugblättern der „Freien“. Wer jetzt nachgebe, greife den Tarifverhandlungen vor und stärke die Position des Intendanten. Nach Angaben von Mitarbeitern hat es eine derartige Unruhe bei der Deutschen Welle noch nicht gegeben. Ein festangestellter Redakteur zeigt sich „überrascht, wie heftig der Widerstand gegen diese Erpressung ist“. Auch er will eine Sendegefährdung nicht ausschließen. „Da reichen schon 25, die nicht unterschreiben“, sagt er. Bei der Deutschen Welle stehen den 600 „Freien“ etwa 440 Festangestellte gegenüber. Die Folge: Selbst Leitungsfunktionen wie die des Chefs vom Dienst müssen mittlerweile mit freien Mitarbeitern besetzt werden.

Während gestern weder Programmbereichsleiter Jörg Brüggemann noch der Personalchef des Senders, Gorjup, zu der umstrittenen Dienstanweisung Stellung nehmen konnte oder wollte, kursiert unter den Mitarbeitern das Gerücht, daß der Sender bereits im Vorfeld der angekündigten Programmreform ausgedünnt werden sollte. Bereits am morgigen Freitag berät der Rundfunkrat über eine Neustrukturierung des Sendeprofils zum 1. Januar 1999. Neben dem Ausbau zu einem Nachrichtensender nach dem Vorbild des US-Senders CNN steht dabei auch die Degradierung der Welle zur „Abspielstation“ von Beiträgen aus ARD und ZDF zur Diskussion. Letzteres, so lautet die Befürchtung der Mitarbeiter, sei auch mit deutlich weniger Personal möglich. „Mit der Dienstanweisung wollte man deshalb den Großteil der freien Mitarbeiter bis zum Jahresende loswerden“, sagt ein freier Mitarbeiter. „Doch offenbar hat die Personalleitung den Widerstandswillen der Beschäftigten unterschätzt.“ wera