Die Favoriten purzeln

■ Während Andre Agassi noch mit seinem frühen Aus bei den French Open hadert, läuft alles bestens für Titelverteidiger Gustavo Kuerten

Paris (dpa/taz) – Andre Agassi konnte sich in allerbester Gesellschaft fühlen. Doch das Erstrunden-Aus solch namhafter Tennisgrößen wie des Weltranglisten- Zweiten Petr Korda, des zweifachen French-Open-Siegers Sergi Bruguera, des schwächelnden Goran Ivanisevic oder auch der weit oben gesetzten Greg Rusedski und Karol Kucera konnte dem Spieler aus Las Vegas den Ärger über die eigene Schmach nicht lindern. Auch gestern saß der Stachel noch tief, gegen Marat Safin aus Rußland verloren zu haben und bei dem Grand-Slam-Turnier nach einem Jahr freiwilliger Entsagung wieder nur Zuschauer zu sein.

Das Lächeln nach der Fünf- Satz-Niederlage bei den French Open in Paris war mehr als sonst eine schauspielerische Leistung, die seiner Frau Brooke Shields zur Ehre gereicht hätte. Dem 28jährigen war eigentlich zum Heulen zumute. Und das lag nicht nur an der Pleite auf dem roten Sand: „Meine Schulter tut unheimlich weh“, berichtete der Wiedereinsteiger in den Tennis-Zirkus, der sich im zurückliegenden halben Jahr schon auf Platz 20 der Weltrangliste verbessert hat. „Im ersten Satz ist irgend etwas in meiner rechten Schulter passiert, so daß ich nicht mehr richtig aufschlagen konnte.“

Fünf spannende Sätze hielt der einstige Branchenführer aus den USA trotzdem durch. Immer in dem Glauben, irgendwann müsse der baumlange 18jährige auf der anderen Seite des Netzes doch nachlassen. Aber Safin tat ihm diesen Gefallen nicht. Im entscheidenden Durchgang demütigte er seinen großen Kontrahenten, der sich während des Matches die für ihn fast ungeheuerliche Zahl von 82 unforced errors erlaubte, sogar ein ums andere Mal. Agassi: „Es gab einige Bälle, die er gerade noch erreichte – und trotzdem wieder ins Spiel kam. Das hätte nicht passieren dürfen.“

Im Daviscup hatte es vor knapp zwei Monaten noch ganz anders ausgesehen. Damals, auf der Olympia-Anlage im Stone Mountain Park vor den Toren Atlantas, hatte Agassi den Weltranglisten-116. noch spielerisch leicht mit dreimal 6:3 vom Hartplatz gefegt. Doch auf Sand zeigte der 1,95m große Russe ganz andere Qualitäten. Das Training in Spanien, wo er seit kurzem lebt, hat sich bereits ausgezahlt. Ob der Youngster allerdings schon zu den Großen seiner Branche zählt, wird sich nun gegen Titelverteidiger Gustavo Kuerten (Brasilien) erweisen. „Ich glaube, Safin kann vielen Kollegen Probleme bereiten“, meinte Agassi, „aber mein Tip ist trotzdem Kuerten.“

Der Brasilianer hatte am Dienstag bei kühlem Wetter und vor halbleeren Rängen wenig Mühe, mit dem Franzosen Charles Auffray, der als 195. der Weltrangliste mit einer wild card ins Turnier gekommen war, das erste Hindernis auf dem Weg zum eventuellen erneuten Titelgewinn beiseitezuräumen. Kuerten gewann 6:0, 6:2, 6:2 und durfte sich zudem darüber freuen, daß sich zwei gefürchtete Konkurrenten gleich in der ersten Runde verabschiedeten. Sein Finalgegner aus dem Vorjahr, der Spanier Sergi Bruguera, ging sang- und klanglos mit 2:6, 2:6, 3:6 gegen den Argentinier Hernan Gumy unter und klagte anschließend: „Ich war sehr müde und hatte überhaupt keinen Siegeswillen.“ Der Tscheche Petr Korda verpaßte einmal mehr die Gelegenheit, Pete Sampras an der Spitze der Weltrangliste abzulösen. Dazu hätte er den Turniersieg in Paris gebraucht. Statt dessen verlor der Australian- Open-Gewinner in fünf Sätzen gegen den Qualifikanten Mariano Zabaleta aus Argentinien.

Andre Agassi, der alle Grand- Slam-Turniere gewonnen hat, außer die French Open, bei denen er zwei Mal im Finale verlor, will sich in Wimbledon (22. Juni bis 5. Juli) für die Blamage rehabilitieren. „Die Pause ist jetzt natürlich ziemlich lang. Da muß ich mir etwas einfallen lassen.“ Näheres wollte Agassi zwar nicht verraten. Doch die Chancen auf einen Start in Halle/Westfalen (8. bis 14. Juni), wo auch die deutsche Daviscup-Elite um Teamchef Boris Becker antreten wird, sind kräftig gestiegen. „Ich spiele entweder in Queen's oder in Halle“, kündigte Agassi an.