Es muß nicht anonym sein

■ Verfassungsgericht erlaubt mißbrauchter Frau, unter eigenem Namen aufzutreten

Freiburg (taz) – Opfer von sexuellem Mißbrauch müssen ihren Namen nicht verschweigen, wenn sie mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit treten. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einer gestern bekanntgemachten Entscheidung des Ersten Senats.

Erfolg hatte damit eine heute 41jährige Frau, die als Kind regelmäßig von ihrem Vater mißbraucht worden war. Nachdem sie unter anderem in der TV-Sendung „Schreinemakers live“ ihren Fall schilderte, erhob der Vater Unterlassungsklage. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschied daraufhin, daß die Frau seinen Namen in diesem Zusammenhang nicht öffentlich nennen dürfe und sie selbst unter einem Pseudonym auftreten müsse. Zur Begründung hieß es, daß selbst ein gerichtlich verurteilter Schwerverbrecher eine derartige soziale Anprangerung nicht hinnehmen müsse. In der Sache hielt das OLG die Schilderung der Frau für wahrheitsgemäß.

Gegen dieses Urteil erhob die 41jährige Verfassungsbeschwerde. Wenigstens ihren eigenen Namen wolle sie öffentlich nennen. Da es sich um einen „Allerweltsnamen“ handele, dürfte dies auch nicht wesentlich zur Identifikation des Vaters beitragen. Das Verfassungsgericht gab ihrer Beschwerde jetzt statt. Das Verbot, unter eigenem Namen an die Öffentlichkeit zu treten, verletze Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht der Frau, argumentierte Karlsruhe. Schließlich könne die Namensnennung andere Betroffene ermutigen, ebenfalls ihr Schweigen zu brechen. Anonymen Äußerungen fehle dagegen „das Maß an Authentizität und Glaubhaftigkeit, welches ihnen erst den gewünschten Einfluß verleiht“. Die Frau plant jetzt, ein Buch mit ihrer Lebensgeschichte zu veröffentlichen (Az.: 1 BvR 131/96). chr