Neun Köpfe für den Sieg

Mit seinem SPD-Wahlkampfteam versucht Schröder, die Balance zwischen Fraktion und Partei zu halten  ■ Aus Bonn Markus Franz

„Gibt es Wortmeldungen?“ fragte Gerhard Schröder, nachdem er soeben der SPD-Fraktion die neun Kandidaten für sein Wahlkampfteam präsentierte hatte. Gab es nicht. Die Überraschung hielt sich am Dienstag in Grenzen, nachdem die Bild am Sonntag schon zwei Tage zuvor die Kandidaten geoutet hatte. Außerdem, hatte Schröder nicht wenigstens die Minimalziele erreicht?

Jünger als die jetzige Regierungsmannschaft sollte das Team sein, Frauen sollten nicht nur frauentypische Ressorts übernehmen, ein Ostdeutscher mußte dabeisein, die Fraktion mußte angemessen beteiligt werden, die Parteigrößen Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping waren zu berücksichtigen, die Frage des Fraktionsvorsitzes mußte offenbleiben. Alles erfüllt, ja sogar die Vorgabe mit dem Alter.

Um insgesamt satte zwei Lebensjahre sind acht der neun SPD- Kandidaten ihren vergleichbaren Gegenübern von der Koalition an Lebendigkeit voraus. 441 Lebensjahre stehen 443 gegenüber. Der neunte SPD-Kandidat, der 38jährige Rolf Schwanitz, kann im Vergleich nicht berücksichtigt werden. Bei der Koalition gibt es keinen herausgehobenen Beauftragten für den Aufschwung Ost.

Aber was zählt schon das Alter, wenn noch wichtigere Maßgaben erfüllt werden müssen. Oberstes Gebot: Die Fraktion muß angemessen berücksichtigt werden. Nach der Kandidatenkür des Gewerkschafters Walter Riester für das Amt des Arbeitsministers hatte es schon genug Ärger mit der Fraktion gegeben. Noch am Tag der Kandidatenvorstellung waren die Nachwehen zu spüren, als der verdiente Sozialexperte Rudolf Dreßler sich vor laufenden Kameras darüber mokierte, daß Schröder bis heute kein Wort mit ihm über die Nominierung gesprochen habe. Aber solcher Ärger verpufft. Immerhin stellt die Fraktion nun fünf Schattenminister.

Ohnehin war klar, daß Genossen wie Dreßler bei Schröder keine Chance haben. Dreßler gilt als zu unflexibel, zu rückwärtsgewandt. Schröder sucht dagegen Mitstreiter, die seinen pragmatischen Kurs mittragen können. Edelgard Bulmahn zum Beispiel, die Umweltministerin werden soll. Wirtschaftsmann Schröder schätzt bei der 47jährigen, daß sie zwar zur Parteilinken gehört, aber dennoch einen guten Draht zur Wirtschaft hat. Bei Otto Schily, der als Innenminister vorgesehen ist, hat Schröder imponiert, wie pragmatisch der ehemalige RAF-Anwalt den Konsens zum Großen Lauschangriff geschmiedet hat. Die unbequeme Hertha Däubler-Gmelin bekommt auch deswegen eine Chance, weil mit dem Justizministerium ein typisches Männerressort mit einer Frau besetzt werden sollte. Vor der Fraktion begründete Schröder seine Wahl mit den Worten: „Man braucht nicht nur Jasager.“

Einige Neinsager hatten dennoch keine guten Karten. Wolfgang Thierse etwa, der kurz vor der Niedersachsenwahl ein Strategiepapier unterzeichnet hatte, daß sich für Lafontaine als Kanzlerkandidat aussprach. Dennoch kann sich Thierse Hoffnungen auf höhere Weihen machen. Offenbar ist er als Bundestagspräsident vorgesehen. Das Amt des Bundespräsidenten müßte dann nicht mit einem Ostdeutschen besetzt werden; die Bahn wäre frei für Johannes Rau. Nicht berücksichtigt ist die Finanzexpertin Ingrid Matthäus- Maier. Parteichef Lafontaine blockiert ihren Platz. Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, daß Lafontaine sich mit dem Amt des Finanzministers im Kabinett Schröder zufrieden gibt. Wenn schon, dann ein Superministerium, das Wirtschaft und Finanzen umfaßt. Das aber möchte Schröder vermeiden. Schließlich will er selbst Schwerpunkte in der Wirtschaftspolitik setzen. Vieles spricht daher dafür, daß Lafontaine im Falle eines SPD-Wahlsiegs den Fraktionsvorsitz übernimmt, den Scharping als Außenminister freimachen würde. Matthäus-Maier wäre wieder im Rennen. Muß nur noch die SPD an die Regierung kommen.