Schiffbruch beim Digital-TV Leo Kirch gestrandet

■ Die EU-Kommission verbietet einstimmig Bertelkirchs digitales Fernsehen. Am Schluß ließ Bertelsmann den Medienmogul Kirch bei den Verhandlungen im Stich

Berlin (taz) – Trotz enormen politischen Drucks bis zur letzten Minute sind die gemeinsamen Fernsehpläne der Konzerne Bertelsmann und Kirch endgültig geplatzt. Die 20 Mitglieder der EU-Kommission beschlossen gestern einstimmig ein Verbot des Vorhabens, mit dem die beiden Konzerne und die Telekom Programme und Technik des künftigen digitalen Fernsehens regeln wollten. Die EU- Kommission folgte Wettbewerbskommissar Karel van Miert, der in den Plänen den Versuch sieht, ein Monopol zu errichten. Bereits 1994 hatte daher die Kommission ein Projekt von Bertelsmann, Kirch und Telekom im Digital-TV vereitelt. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), der designierte NRW-Regierungschef Wolfgang Clement (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), selbst Ex- Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hatten sich in Brüssel bis zuletzt für den Plan stark gemacht.

Mit der Umsetzung wäre die größte deutsche Medienzusammenballung wahr geworden. Bertelsmann und Kirch beherrschen bereits das herkömmliche Privatfernsehen fast vollständig. Zusammen mit der Telekom, die über das wichtige TV- Kabelnetz verfügt, wollten sie den Technikstandard bestimmen, über den künftig Fernsehen digital übertragen wird. Mit den Möglichkeiten dieser Technik wollten sie auf mehreren Dutzend Kanälen Pay-TV im großen Stil einführen. Dabei sollten vor allem begehrte Spielfilme und Sportübertragungen nur noch gegen Extragebühr zu sehen sein. Vor allem Kirch hatte sich dafür die Rechte gesichert – unter anderem an den Fußball-WMs 2002 und 2006.

Nach dem Scheitern steht vor allem der Münchner Medienmogul vor riesigen Problemen. Kirch hatte sich beim digitalen Fernsehen bereits mit einem Alleingang (dem Sender DF 1) verkalkuliert und war enorme finanzielle Verpflichtungen für die Programmrechte und die Technik eingegangen. Kirch, der ein persönlicher Freund von Bundeskanzler Kohl ist, bekommt bei seinen Hausbanken keine Kredite mehr und sieht sich zudem mit einem Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung von 400 Millionen Mark konfrontiert.

Der Deal mit Bertelsmann hätte die Situation für Kirch etwas entspannen können, weil ihm damit mehr als eine halbe Milliarde Mark aus den Kassen des zweitgrößten Medienkonzerns der Welt zugeflossen wäre.

An Bertelsmann ist in Brüssel ein Kompromiß in letzter Minute gescheitert. Während Kirch und die Telekom ein Verhandlungsangebot van Mierts akzeptierten, sagte Bertelsmann nein. Von dem Gütersloher Konzern ist bekannt, daß es dort Meinungsverschiedenheiten über die Allianz gab. „Wenn Kirch in Panik ist, ist das für Bertelsmann noch lange kein Grund, sich wirtschaftlich unvernünftig zu verhalten“, erklärte Bertelsmann-Sprecher Manfred Harnischfeger. Die Kirch- Gruppe kündigte gestern an, sie wolle nun in Brüssel einen neuen Genehmigungsantrag auf der Basis des fast fertig ausgehandelten Kompromisses stellen. Lutz Meier Bericht Seite 8, Kommentar Seite 12