Unruhen in der Ostzone

■ Vier Anrufe – eine Umfrage. Die taz ermittelt, was der westdeutsche Durchschnittswähler von der neuen Volksfrontkampagne der CDU hält

Berlin (taz) – Verfängt der Antikommunismus, auf den die CDU in ihrer neuen Wahlkampagne setzt, bei den Bürgern in Westdeutschland? Diese Frage versuchte die taz durch Telefonanrufe in Warstein, Jever und Erding zu klären. Die Orte sind für ihre Biere bekannt und können damit als typisch deutsch gelten. Das Fazit: Die Bevölkerung sieht der Wahlkampagne mit verhaltener Skepsis entgegen. Das neue Plakat der CDU mit dem Slogan „Aufpassen Deutschland!“ wirft der SPD vor, zu einem Bündnis mit der PDS bereit zu sein. Die Umfrage fand tatsächlich statt, die Zitate sind nicht erfunden.

„Mein Mann liegt schon lange auf dem Friedhof“, eröffnet die 87jährige Mathilde L. aus Jever das Gespräch. Für den Fall der Tolerierung einer möglichen SPD-Bundesregierung durch die PDS erwartet sie „Unruhen wie in der früheren Ostzone. Die Oberen hatten alles, die Unteren hatten gar nichts.“ Unabhängig von einer Beteiligung der PDS an der Macht in Bonn begegnet sie SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder mit Mißtrauen: „Er kann ja nicht mal seine eigene Familie regieren.“ Auf Fragen nach der Wirksamkeit der CDU-Kampagne reagiert die Rentnerin ablehnend: „Ich tu' meine Pflicht beim Wählen, und das isses.“

„Ruhig mal ranlassen – gucken, was sie können“, empfiehlt Karl B., 55 Jahre alt und Bierbrauer in Warstein, zum Umgang mit der PDS. „Abwählen kann man sie immer noch.“ Der langjährige SPD- Wähler zeigt sich vor allem enttäuscht über den Mangel an Führungspersonal bei den Sozialdemokraten: „Die baggern mich nicht an.“

Einen auf den ersten Blick überraschenden Eindruck von der PDS schildert die 30jährige Bettina L. aus Jever: „Man rechnet denen so eine leicht rechte Tendenz zu.“ Zur Begründung ergänzt sie: „Das ist ja doch 'ne Partei, die von drüben kommt.“ Sollte Frau L.s Ansicht keine Einzelmeinung sein, deutet sie auf die Schwierigkeit in den alten Bundesländern hin, selbst die Grundzüge der politischen Konfrontation in Ostdeutschland wahrzunehmen. „Unsere Generation hat das mit der DDR gar nicht mehr so mitgekriegt – meine Eltern haben damals noch Pakete geschickt“, sagt die 30jährige. Für sie gelte, „neue Bundesländer und Rechtsextremismus, das geht schon fast Hand in Hand“. Frage: Können Sie sich vorstellen, mal in den Osten zu fahren? Antwort: „Wir waren schon.“

Auch Margit M. aus Erding kommentiert die CDU-Warnung vor einer „Volksfront“ aus SPD und PDS eher kühl: „Ich bin eine von der Sorte, die sagt: Mein Mann wird das schon richten.“ Ihr Verhältnis zu den Ostdeutschen beschreibt die Mutter zweier Kleinkinder als gespalten: „Ich vergönn's den Leuten, daß sie jetzt zu uns gehören, aber in manchen Dingen sind sie undankbar.“ Welche Wirkung die geplante Plakataktion von CDU-Generalsekretär Peter Hintze entfalten wird? „Mei, es hängen so viele Plakate umanand.“ pat