Rußland im Strudel der Asienkrise

■ Überall brechen die Börsen ein, doch in Rußland erholten sich die Kurse wieder

Berlin (taz) – Befürchtungen über eine russische und noch viel mehr über ein Wiederaufflammen der Asienkrise haben Börsianer auf der ganzen Welt erzittern und ihre Aktien verkaufen lassen. Vor allem, daß jetzt möglicherweise auch Hongkong in die Krise gezogen wird, beunruhigte die Anleger. Am Mittwoch rutschte der Hang- Seng-Aktienindex um 5,3 und gestern noch einmal um 1,2 Prozent ab. Die Panik erfaßte vor allem Rußland, wo die Aktienkurse um zehn Prozent einbrachen.

Aber auch an allen anderen Börsen der Welt gab es teilweise kräftige Kursverluste. Der Dax verzeichnete einen Minicrash von minus 2,7 Prozent und schloß gestern mit 5.481,26 Punkten noch weitere 0,2 Prozent niedriger. Der Abwärtstrend setzte sich auch an anderen Börsen fort.

Schon seit dem Ausbruch der Finanzkrise in Ostasien hatten sich Investoren aus Rußland und anderen „Emerging Markets“ zurückzuziehen begonnen. Die russische Notenbank hat immer wieder die Zinsen angehoben – von 18 Prozent im vergangenen Herbst auf 50 Prozent letzte Woche –, um die Flucht des Kapitals zu verhindern. Doch jede schlechte Nachricht aus Asien läßt die Anleger erbeben. Am Mittwoch begannen viele Investoren, in Rußland ein zweites Indonesien zu sehen, und verkauften ihre Aktien oder Staatsanleihen, was das Zeug hielt.

Weltwirtschaftsexperte Wolfram Schrettl vom DIW ist dennoch sicher, daß Rußland nicht den Weg der asiatischen Schwellenländer gehen wird. Anders als dort sei in Rußland die Währung realistisch bewertet und biete Spekulanten keine gute Angriffsfläche. Deshalb dürfte die Verdreifachung der Zinsen Erfolg haben: Für die Anleger sei die Anlage in Rubel wieder interessant geworden, und diejenigen, die auf einen Sturz des Rubels spekuliert hatten, habe es kalt erwischt. Wenigstens Moskau konnte so gestern mit plus sechs Prozent wieder steigende Aktienkurse melden. Jetzt muß es die Notenbank schaffen, die Zinsen wieder herunterzusetzen, um die russische Wirtschaft nicht völlig abzuwürgen, ohne daß es eine erneute Kapitalflucht gibt. Nicola Liebert