■ Die drei klassischen Weinführer aus Italien, Frankreich und der Bundesrepublik im Vergleich
: Hilfe im önologischen Labyrinth

Wie viele verschiedene Weine gibt es in Supermärkten und Fachgeschäften? Allein Gott der Herr hat sie gezählet. Um charakterlose Durchschnittsware auszusortieren, erscheinen alle Jahrgänge wieder sogenannte „Guides“ für die einzelnen Weinländer. Wir stellen die drei wichtigsten vor.

In Deutschland ist der „Gault Millau Wein Guide“ das maßgeblichste Organ. In der 1998er Ausgabe werden 2.650 Weine von 374 Erzeugern nach einem 20-Punkte- Schema bewertet. 12,5 ist die Mindestpunktzahl für eine Erwähnung; die mit 19 Punkten höchstbewerteten Tropfen sind edelsüße Raritäten, die einige hundert Mark kosten. Die Herausgeber Armin Diel und Joel Payne machen keinen Hehl aus ihrem Faible für restsüße Weine, vor allem für Rieslinge; konsequent trocken ausgebaute Gewächse haben es dagegen schwerer. Gut, daß „Schnäppchen“ – Weine mit mindestens 15 Punkten, die weniger als zehn Mark kosten – besonders gelistet werden. Die Winzer werden leider viel zu kurz vorgestellt, aber Auswahl und Bewertung der vorgestellten Winzer sind verläßlich. Der Punkte-Zirkus nervt.

Im „Hachette Weinführer Frankreich“ werden nicht weniger als 8.000 Weine, plus 200 aus der Schweiz, beschrieben und bewertet. Subjektive Stichprobe: Einige meiner Favoriten sind drin, andere nicht. Einem meiner Lieblingsweine (1993 Chateau Moulin Haut Laroque, Fronsac) hatte das Register prompt die falsche Seitenzahl zugewiesen. Das Gros der beschriebenen Weine wird man im deutschen Fachhandel ohnehin vergeblich suchen. Wenn der Führer in deutscher Sprache erscheint, ist er nach kurzer Zeit schon wieder veraltet. Über die Winzer und ihre Philosophie ist noch weniger zu erfahren als im deutschen „Gault Millau“. Die Gliederung ist eine Katastrophe. Im Elsaß etwa wird nicht nach Erzeugern, sondern nach Rebsorten unterteilt. Wer etwa wissen will, wie die Weine von Madame Faller bewertet werden, muß sich unter Gewürztraminer, Riesling, Grauburgunder etc. die Informationen mühsam zusammenklauben.

Die Weine Italiens – 8.501 Abfüllungen von 1.392 Produzenten – stellt der „Gambero Rosso“ vor, der beste der drei Führer. Die Juroren bewerten die Weine mit den berühmten bicchieri, einem, zwei oder drei Gläsern – oder mit gar keinem. Der „Gambero“ ist zuverlässig und marktmächtig. Mit Hochspannung warten Produzenten und Händler im Herbst auf das Erscheinen der jeweils neuen Ausgabe. Ob (wieder) drei Gläser oder (nur noch) zwei – der Unterschied kann Hunderttausende wert sein. Die Siegerweine werden inzwischen auch in Deutschland eigens präsentiert. Unterhalb der umkämpften Drei-Gläser- Liga bietet der „Gambero Rosso“ einen guten Überblick. Erfreulich auch, daß man viele der erwähnten Weine im Handel auch wirklich findet. Und vor allem: Hier werden die Winzer mit schönen Texten vorgestellt. Man kann sich Käuze und Weinverrückte gezielt aussuchen. Weinführer sind keine billigen Bücher, können es auch nicht sein, da sie nur zustande kommen, indem zig Sachverständige durch die Lande karjuckeln und schlürfen, kauen, spucken, was das Zeug hält. Muß man die Guides besitzen? Sie schaden nicht. Bei Weinreisen vor Ort bieten sie immerhin eine Groborientierung. Ein angenehmerer Weg zum Weingenuß mag aber der zu einem kompetenten Fachhändler sein. Entscheidender Vorteil: Dort kann man probieren. Und plötzlich schmecken einem Weine, die in keinem Führer stehen! Eberhard Schäfer

Gault Millau Wein Guide Deutschland 1998. Wilhelm Heyne Verlag, München 1997, 520 Seiten, 49,80Mark

Hachette Weinführer Frankreich 1998. Hallwag Verlag, Stuttgart 1997, 1.183 Seiten, 59Mark

Gambero Rosso. Vini dItalia 1998. Hallwag Verlag, Stuttgart 1998, 600 Seiten, 59,80Mark