Bahn-Rechner zieht Zwangskredit ein

■ Stammkunden der Bahn sind sauer: Um Sitzplätze zu reservieren, müssen sie der DB jeden Monat viel Geld vorstrecken / Wegen Computerproblemen räumt die erst nachträglich Rabatt ein

Die Computerxperten der Deutschen Bahn AG sind im Druck. Sie versuchen, ein offenbar vertracktes EDV-Problem mit den Sitzplatz-Reservierungen für Züge zu lösen, ehe erboste Fahrgäste aufs Auto umsteigen. Viele Menschen wurmt, daß sie dem Schienenunternehmen mit einem zinslosen Kredit unter die Arme greifen müssen, wenn sie nicht im Zug stehen wollen.

Wer einen Sitzplatz reservieren möchte, zahlt seit 1. April für jede Fahrt drei Mark. Bis dahin wurden für diesen Preis Hin- und Rückweg reserviert, auch Gruppen bekamen die Schildchen an beliebig vielen Plätzen für drei Mark. Man habe die Preise angehoben, um die vielen Luft- und Leerbuchungen zu vermeiden, heißt es bei der Deutschen Bahn AG in Hannover.

Die neuen Preise schlagen bei Pendlern, die im Monat an 20 Werktagen etwa von Bremen nach Hamburg und zurück fahren, mit 120 Mark zu Buche, zusätzlich zur Monatskarte, die für die 2. Klasse im Jahresabo 320 Mark monatlich und als Monatskarte 385 Mark kostet.

Weil das der Bahn aber doch ein wenig happig erschien, gibt es folgendes Angebot: Wer am Monatsende seine Reservierungsscheine und seine Monatskarte vorlegt, bekommt bis auf 40 Mark seine Kosten zurückerstattet. „Wir hätten das gerne anders gemacht“, sagt eine Bahn-Sprecherin. Aber der Computer buche immer nur 3 Mark für jede Reservierung ab. Dem Monatskartenbesitzer Müller gleich bei der Reservierung Rabatt zu geben, sei bisher technisch nicht möglich. „Da ist man mit Hochdruck dran“, heißt es in Hannover. Wann das Problem behoben sein wird, ließe sich nicht sagen.

So bleibt es vorerst dabei, was vergrätzte Fahrgäste wie der Journalist Lutz Bucklitsch als „Zwangskredit“ bezeichnen – denn die Masse der Pendler dürfte der Bahn auf diese Weise enorme Summen vorschießen. Wieviele Monatskarten sie für die Strecke Bremen-Hamburg verkauft hat und wieviele Menschen hier täglich befördert werden, hält die Bahn geheim. „Betriebsinterne Daten“.

Offensichtlich hat die Deutsche Bahn Angst, die Einkommensmöglichkeiten für diese Hauptstrecke zu verraten. Denn etwa im Weser-Ems-Gebiet ist die Konkurrenz schon auf dem Vormarsch. Nach Auskunft des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums verspricht eine private Bahngesellschaft aus der Frankfurter DEG-Verkehrs GmbH und den Stadtwerken Osnabrück AG, ab Mitte 1999 auf einem 290 Kilometer langen Schienennetz 20 Prozent mehr Züge rollen zu lassen.

Mehr Züge wünschen sich auch jene BremerInnen, die in Hamburg arbeiten: Die Intercity-Züge um 7.15 und um 8.15 Uhr sind normalerweise proppenvoll. Auch nachmittags muß man froh sein, einen halbwegs komfortablen Stehplatz zu ergattern. Sitzplätze sind ohne Reservierung kaum zu bekommen.

Die Zahl dieser regelmäßig Reisenden steigt: Obwohl niemand genau sagen kann, wieviele Menschen ihr Brot in Hamburg verdienen, gab es doch in letzter Zeit einige große Unternehmen – Eduscho, Hapag-Lloyd oder die Victoria Versicherung – die Abteilungen an die Elbe verlegten und den Beschäftigten eine Übernahme angeboten haben. Von den 60 Leuten aus einer Abteilung der Victoria Versicherung, die um die Jahreswende an die Elbe verlegt wurde, haben immerhin 35 das Angebot angenommen und pendeln. Immerhin zahlt ihnen der Arbeitgeber die Fahrtkosten. Joachim Fahrun