Sind so große Füße, trampeln alles platt

Doch manchmal ist groß nicht groß genug. Roland Emmerichs Godzilla bricht zwar glatt durch das Met-Building, scheitert aber kläglich an der Stahlkonstruktion der Brooklyn-Bridge. Was gibt es Schöneres für ein Monster als „nesting“ im Madison Square Garden?  ■ Von Tobias Rapp

„Size does matter“ – „Auf die Größe kommt es an“, grüßt es in New York von Bussen, Telefonzellen, Haus- und Plakatwänden. Das leuchtet in der Stadt, in der Häuser und Aktienkurse höher sind als anderswo, fast jedem ein. In Zeiten, wo New York so sehr von Wall- Street-Geld überschwemmt ist, daß für eine kleine Wohnung in schlechter Lage 1.500 Dollar fällig sind, und wo das Magazin Vanity Fair jedem, der weniger als eine Million Dollar im Jahr verdient, rät, auf dem Flughafen kehrtzumachen und die nächste Maschine nach Hause zu nehmen – in Zeiten, wo so sehr ökonomische Größe zählt, braucht es die entsprechend große Antwort, um aufzuräumen. Die Frage im Falle „Godzillas“, Roland Emmerichs Neuverfilmung der japanischen Endlos- Trashfilm-Serie, lautet: Ist er groß genug?

Wie in den japanischen „Godzilla“-Filmen ist das Monster eine Mutation aufgrund nuklearer Verstrahlung. Nur wurde die Gecko- DNA nicht in Japan verändert, sondern in den französischen Besitzungen im Südpazifik. Um seine Eier zu legen, muß das Monster sich ein Nest suchen. So nimmt das Unheil seinen Lauf. Via Panama und den plattgetretenen Kirchen der dortigen Landbevölkerung macht es sich auf den Weg nach New York. Denn, so die Logik des Films, was liegt näher, als sich in Manhattan niederzulassen, wo rundherum Wasser ist und außerdem lauter Wolkenkratzer stehen, in denen ein größeres Wesen sich prima verstecken kann. Und welches Monster aus der Südsee könnte sich einen besseren Ort für sein „nesting“ vorstellen als den Madison Square Garden? Das ist Trash allererster Güte.

Und er wird auch nicht von neunmalklugen Kinderprotagonisten gestört, die normalerweise in keinem Hollywood-Film für die „tatsächlich oder geistig 12jährigen“, wie das Boulevardblatt New York Post die Zielgruppe beschrieb, fehlen können. Über die Schauspieler sei trotzdem der Mantel des Schweigens gebreitet, von Jean Reno, aus „Leon der Profi“, einmal abgesehen. Er verkörpert einen französischen Geheimdienstoffizier, der Godzilla jagt, weil er sein Land liebt und weil zu wahrem Patriotismus dazugehöre, auch den Mist, den ein Land gebaut hat, wegzuräumen.

Daß die Animation von Godzilla nicht ganz so erschreckend aussieht wie die Konkurrenz von Spielbergs Dinosaurierfestplatten, ist das einzige Problem des Films. Man sieht dem Emmerichschen Godzilla an, daß er in einigen Jahren nur noch als putzig durchgehen wird. Aber das ist in den japanischen Vorlagen nicht anders. Und Emmerichs Godzilla steht nicht in der King-Kong-Jurassic- Park-Tradition des Monsters mit menschlichem Antlitz. Godzilla ist auch nicht die gruselige, alieneske Wiederkehr des Verdrängten. Und auch Understatement oder die Kunst zu gruseln, ohne das Monster zu zeigen, ist nicht Emmerichs Sache. Manchmal ist er fast zu groß. Doch zu guter Letzt ist Godzilla reines Mittel zum Zweck. Denn worum es in „Godzilla“ geht, ist nichts anderes, als mit größtmöglichem Aufwand Manhattan plattzumachen.

Anderthalb Stunden lang jagen sich Monster und Militär durch die Straßenschluchten. Genüßlich wird der Bürgermeister zu einer Kasperlepuppe, die der Befehlsstruktur des Militärs hilflos ausgeliefert ist. Und das Verhalten Godzillas und der US-Army spricht jeder Zero-Tolerance-Politik gegen unzivilisiertes Verhalten hohn, wie sie vom realen Bürgermeister Rudolph Giuliani mit mächtiger Polizeiunterstützung durchgesetzt wurde. Nach dem Börsencrash bleibt noch immer genug Zeit, um wieder Komödien zu drehen.

Godzilla arbeitet sich durch den Versicherungswolkenkratzer hinter der Grand Central Station hindurch, so daß nur noch der Umriß stehenbleibt, auf dem oben noch das „MetLife“-Zeichen prangt. Das Chrysler-Building erledigen die Hubschrauber der US-Army, indem sie an Godzilla vorbeischießen. Auch das Empire State Building trägt bleibende Schäden davon, als sich Godzilla in ihm versteckt. Für die Stahlkonstruktion der Brooklyn Bridge ist Godzilla dann allerdings nicht groß genug.

Auch um „Lost World“ – Steven Spielbergs Fortsetzung von „Jurassic Park“, die letztes Jahr zum Memorial Weekend gestartet war – auf die Plätze zu verweisen, fehlen „Godzilla“ 20 Millionen Dollar. Der Film konnte an seinem ersten Wochenende „nur“ 74 Millionen Dollar einspielen. Das macht ihn zwar zum bislang erfolgreichsten Film des Jahres und zu einer der zehn erfolgreichsten Eröffnungen aller Zeiten und bei Produktionskosten von 125 Millionen und einem Werbeetat von 50 Millionen bestimmt zu einer durchaus profitablen Unternehmung. Doch unter Umständen, wenn Inhalt und Ökonomie sich so sehr verschränken, wenn Godzillas Größe und die seiner Box-office-Zahlen so sehr verschmelzen, ist es möglich, daß das nicht genug ist.