„Kooperation mit Sanktionen erzwingen“

■ Die Friedensforscherin Annette Schaper über die Gefahren der pakistanisch-indischen Atomtests

Annette Schaper ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.

taz: Im Nachkriegseuropa glaubte man an die abschreckende Wirkung der Bombe. Abdul Qadeer Khan, „Vater“ des pakistanischen Atomprogrammes, sieht nach den Tests in Südasien den Frieden garantiert. Hat er recht?

Schaper: Selbst wenn man an die Abschreckungstheorie in Ost und West glaubt, kann man das nicht so einfach übertragen. Indien und Pakistan haben mit Kaschmir einen ungelösten Regionalkonflikt, an der Grenze kommt es regelmäßig zu Zwischenfällen. Beide Bevölkerungen sind von Fundamentalisten aufgehetzt und nationalistisch.

Sie halten einen Atomkrieg zwischen diesen Ländern für möglich?

Das Risiko, daß sich ein konventioneller Krieg nuklear ausweitet, ist nicht gleich Null.

Sind denn Indien und Pakistan tatsächlich in der Lage, die Bombe nicht nur zu testen, sondern auch einzusetzen?

Die technischen Fähigkeiten existieren. Beide Seiten haben Trägerraketen, die das Territorium der anderen Seite erreichen können, und die Miniaturisierung von Sprengköpfen, die auf eine Rakete passen, ist möglich, wenn man erstmal einen gezündet hat.

Verschiedene Länder haben Wirtschaftssanktionen angekündigt. Sollte man nicht vielmehr versuchen, Pakistan und Indien in die bestehenden Kontrollmechanismen einzubeziehen?

Ich bin für Sanktionen. Wenn man immer nur damit droht, sie dann aber nicht wahrmacht, hat man die Rüstungskontrolle der letzten Jahrzehnte ad absurdum geführt. Die Bundesregierung ist in dieser Beziehung viel zu schlaff. Jetzt kommt aus Bonn der Ruf nach den Atommächten – dabei haben gerade die wichtigsten Nichtkernwaffenstaaten Japan und Deutschland eine viel glaubwürdigere Stimme.

Aber was sollte denn jetzt mit Sanktionen erreicht werden?

Mittelfristig müssen die Länder dem Teststoppvertrag beitreten, wie alle anderen auch, und aktiv wieder in der Genfer Abrüstungskonferenz kooperieren.

Sie haben die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Nichtkernwaffenstaat angesprochen. Ist die nicht angeknackst angesichts der Tatsache, daß auch deutsche Firmen am pakistanischen Atomprogramm beteiligt waren?

In den siebziger Jahren. Aber nach der Exportkontrollreform Anfang der 90er Jahre haben wir eines der besten Systeme der Welt.

Und Sie bescheinigen: Es funktioniert?

So gut, wie es in einem Industrieland mit massiven Exporten funktionieren kann. Daß aber wie früher Zentrifugentechnik nach Pakistan geliefert wird – die sowohl zivil als auch militärisch zu nutzen ist – könnte heute nicht mehr passieren. Interview: Bernd Pickert