Strahlende Castoren-Rückkehr

40 leere Castoren kamen kontaminiert aus Frankreich und England in niedersächsische AKWs zurück. Ministerium: Meßprotokolle lagen nicht vor  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

In den vier niedersächsischen Atomkraftwerken sind in den vergangenen Jahren 40 leere Atommüllbehälter bereits kontaminiert aus England und Frankreich angekommen. Dies teilte der niedersächsische Umweltstaatssekretär Dietmar Schulz gestern vor dem Umweltausschuß des Landtages in Hannover mit. Nach Darstellung Schulz‘ hat das Ministerium von diesen Kontaminationen leerer Behälter erst erfahren über Unterlagen, die die niedersächsischen AKW-Betreiber in dieser Woche nach Hannover geschickt haben. Die Äußerung von Bundesumweltministerin Angela Merkel, entweder seien dem Land die Grenzwertüberschreitungen bekannt gewesen oder AKW-Betreiber hätten dem Land in der Vergangenheit unvollständige Meßprotokolle übergegeben, wies Schulz gestern als „ausgesprochene Unverschämtheit“ zurück.

Die Meßprotokolle über die Eingangskontrollen leerer Castor- Behälter hätten die AKW-Betreiber erst in dieser Woche an das Umweltministerium in Hannover gesandt, erklärte Ministeriumssprecherin Eva-Maria Rexing. Nach dem Bekanntwerden der Außenkontaminationen an Brennelementbehältern habe das Umweltministerium die Betreiber aufgefordert, alle Unterlagen über Brennelementtransporte zur Verfügung zu stellen und ihnen dafür eine Frist bis zum vergangenen Montag gesetzt.

Bei der Überprüfung dieser zusätzlichen Unterlagen, die zum Teil erst nach dem Montag eingegangen seien, hätten Mitarbeiter des Umweltministeriums bisher bei 40 leeren Behältern Außenkontaminationen zwischen 4 und 335 Becquerel entdeckt. Nach Angaben des Umweltministeriums gilt für leere Behälter nach der Gefahrgutverordnung je nach Art der strahlenden Partikel auf der Oberfläche ein Grenzwert zwischen 0,04 und 0,4 Becquerel pro Quadratzentimeter. Grenzwertüberschreitungen bei der Kontrolle von Leerbehältern gab es in allen vier niedersächsischen AKWs. Das Umweltministerium führt sie auf das Entladen der Behälter in den Wiederaufarbeitungsanlagen zurück, das teilweise ebenfalls unter Wasser in Abklingbecken stattfinde. Bei der Cogema in Frankreich werden Brennelementbehälter aber auch trocken, in heißen Zellen entladen.

Routinemäßig überprüft wurden nach Angaben von Rexing in der Vergangenheit nur die Meßprotokolle, die beim Beladen der Behälter gefertigt wurden. Das Beladen habe unter der Aufsicht des Umweltministeriums gestanden, sagte die Ministeriumssprecherin. Diese Aufsicht hätten Beamte des Landes oder der TÜV ausgeübt. Die Beladeprotokolle seien stets in Ordnung gewesen, betonte der Minister.

Die Protokolle über die Messungen an den leeren Behältern waren nach Angaben von Rexing Bestandteil der Transportdokumentation, die jeden Transport begleitet und die das Eisenbahnbundesamt zu prüfen hat. Die Durchschriften der Transportdokumentationen, die bei den AKW-Betreibern zurückbleiben, habe das Land in der Vergangenheit nicht geprüft. Die kontaminierten Leerbehälter hätten die AKW-Betreiber nach der Ankunft zunächst gereinigt. Die Atomaufsicht des Landes hätten sie über die Kontaminationen nie informiert.