Das Stadion fest im Griff

■ Deutschrock im Doppelpack: Maffay im Volkparkstadion, Grönemeyer in der Sporthalle

ie ehrliche Haut steht ihnen gut. Peter Maffay und Herbert Grönemeyer besitzen eine Menge Kredit, aber was ist das schon wert. Daß es im Mainstream-Musikgeschäft nur um drei Dinge geht – nämlich Geld, Geld, Geld – ist ja hinlänglich bekannt, und ihr Publikum dürfte sich wohl nur nebenbei für ihre Texte interessieren. Dem genügt es schon, hier und da eine Anspielung über die übliche Liebesgeschichte hinaus zu entdecken, um einen literarischen Anspruch zu mutmaßen. Dann macht es auch alle Wandlungen der Helden mit.

Vom Schlagersänger über den Rocker und Steppenwolf zum Ethnomusiker auf seinem jüngsten, ordentlich pathetischen Album Begegnungen – den 40.000 Hamburgern am Sonnabend im Volksparkstadion, die zuvor schon Jule Neigel und Eros Ramazotti zugeschmachtet haben, ist es egal, was Maffay ihnen präsentiert, und sie goutieren jedes Stück mit eifrigem Kaputtklatschen und dem notorischen Schwenken ihrer mitgebrachten pyrotechnischen Ausrüstung. Ob So bist du oder Tiefer oder Eiszeit, sie krähen alles begeistert mit, was der Siebenbürger ihnen vorsingt.

Maffay ist bekannt für sein soziales Denken: Rowdies reißen sich darum, ihn bei seinen Tourneen begleiten zu dürfen, hält er ihnen doch über Jahre hinweg die Treue und bezahlt sie überdurchschnittlich gut. Und für seine Anhänger, oh ja, hat er immer ein offenes Ohr, gerne plauscht er mit ihnen vor und nach den Konzerten. Nur innovativ ist er eben nicht. Wenn er auftritt, wissen alle, was sie erwartet: ein solider Mix neuer Stücke und alter Hits. Eine Mischung, die über Generationengrenzen hinweg kompatibel bleibt. Eben genau der Schweinerock, der volle Fußballstadien bei Laune hält. Aber kann man Peter Maffay ernsthaft vorwerfen, daß er Peter Maffay ist?

Sowenig, wie Herbert Grönemeyer seine Identität als Vorzeige-Linker des deutschen Mainstreams abschütteln kann. Auch er hat mit Altlasten zu kämpfen. Aber er geht anders damit um. Für ihn sind Konzerte die Möglichkeit, seinem Publikum zwischen Best-of-Reihungen seine neue Platte Bleibt alles anders zugänglich zu machen. Nur interessiert das am Freitag in der Sporthalle niemanden. Während vor dem Konzert la ola – ja wirklich, die Welle – durchs Publikum läuft, verebbt das immer leicht debil wirkende Mitklatschen bei den Drum'n'Bass-Versuchen. Grönemeyer hat das geahnt und hält sich an die seit Steinzeiten erprobte Dramaturgie: Hit Nummer eins, Hit Nummer zwei, neues Stück und da capo ad infinitum. Aber auch der 41jährige ist sich, wie seine Plattenfirma formulieren könnte, „treu geblieben“. Zwar ist inzwischen auch die Postleitzahl von Bochum fünfstellig, aber wenn er die Ruhrpott-Hymne über seine alte Heimat anstimmt, glaubt man verdammt noch mal, daß er immer noch jedes Wort ernst meint. Für Herbie – wie ihn sein auch mal zum Spaßen aufgelegtes Publikum gerne nennt – bleibt die Vergangenheit ein Teil seiner selbst.

Die leben noch, die beiden Deutschrocker, obwohl sie doch schon längst ausgestorben sein sollten. So steht zu erwarten, daß sie auch in zehn Jahren noch touren und Männer oder Über sieben Brücken mußt du gehen zum besten geben, und zumindest Grönemeyer steht denn auch tatsächlich gleich noch einmal übernächste Woche, am 13. Juni nämlich, auf der Bühne der Trabrennbahn. Und wenn es auch schwerfällt, die Verdienste des Herbert Grönemeyer zu benennen, eines muß man anerkennen: Er hat Drum'n'Bass ins Stadion gebracht. Daß das da niemand hören will – darum muß er sich wirklich nicht scheren. Eberhard Spohd