Eurawasser will in Bremen einsteigen

■ Partnerstadt Rostock verkaufte seine kommunalen Ver- und Entsorgungsbetriebe an Eurawasser / Ein Modell für Bremen?

Private können kommunale Aufgaben besser organisieren, das hat Bremens Partnerstadt erfahren. Nach dem „Rostocker Modell“ will die Firma Eurowasser jetzt auch mit Bremen ins Geschäft kommen. Die Firma, eine Tochter von Thyssen und der französischen „Lyonaise Des Eux“, will zusammen mit der Bremer Hegemann-Gruppe im Juli die bremische Wasserentsorgung kaufen. Eurawasser engagiert sich in Deutschland bereits in Goslar, Potsdam und Rostock. Wobei die privatisierte Abwasserentsorgung in Bremens Partnerstadt Rostock das Einstiegsmodell des Unternehmens in Deutschland ist. Dorthin wurden jetzt Vertreter der Bremer Presse eingeflogen, um die Botschaft zu vermitteln: Kläranlagen der Welt, schaut auf Rostock. 1989, nach der Wende, standen Rostock und sein Umland vor einem Dilemma. Eine effektive Klärung der Abwässer von fast einer Millionen Menschen hatte in der alten DDR praktisch nicht stattgefunden. Rostock war Hauptverschmutzer der Ostseeküste. Auch der kleine Fluß Warnow, einziges Trinkwasserreservoire für über 350.000 Menschen, wurde hemmungslos vergiftet. „Wir hatten nach der Wende drei Probleme in der Abwasserentsorgung“, erklärt Michael Kreuzberg, ehemaliger Umweltsenator des Bürgerforums/ Bündnis 90 in der Hansestadt. „Die Konvention von Helsinki zwang uns zur Verminderung der Schadstoffeinträge in die Ostsee. Wir hatten aber kein Geld für Investitionen in Klärwerk und Kanalsysteme. Und wir durften privaten Unternehmern nicht die Möglichkeit bieten, Rostock auszuplündern.“ Die Rostocker formulierten eine politische Wunschliste: Unternehmen durften zwar investieren, aber kein Eigentum erwerben. Sie durften Arbeiter der alten Entsorgungsbetriebe aus betrieblichen Gründen nicht entlassen und sie durften ihre einzige Geldeinnahme, die Abwassergebühren, nicht selbst festlegen. Einige Unternehmen winkten dankend ab. Der Bremer Vulkan wollte auch in Rostock tätig werden. „Die waren aber so arrogant und inkompetent, die haben wir sofort aussortiert“, kommentiert Kreuzberg. In Rostock entbrannte trotzdem eine heiße Diskussion. Die Angst vor unkalkulierbaren Wassergebühren saß tief. Schließlich war die Was-serentsorgung in der ehemaligen DDR so gut wie kostenlos, 20-45 Pfennig pro Kubikmeter. „Für uns war es neu, für Dinge bezahlen zu müssen, die zu DDR-Zeiten wenig kosteten,“ hebt ein Rostocker Wasserwerker die Schultern, als er gefragt wird, ob er die neuen Gebühren, 5,79 Mark (Bremen ca. 5,24 Mark) für gerechtfertigt hält. Die Angst in Rostock war verständlich: 20 Prozent Arbeitslosigkeit, Zusammenbruch der Ostseefischerei, Mietpreisexplosion. „Wir mußten die politische Durchsetzbarkeit unserer Möglichkeiten berücksichtigen“, resümiert Eurawassergeschäftsführer Helkenberg den Vertragsabschluß (1994) über die Abwasserentsorgung Rostocks und die 41 Gemeinden des Umlandes. Herz des Vertrages ist ein Investitionsleitplan. 12 Jahre wird investiert, dann saniert und modernisiert. Der Vertrag läuft bis ins Jahr 2018, dann geht die gesamte Wasserentsorgung wieder in öffentlich-rechtliche Hände über. Stadt und Umland können sich jederzeit in das Entsorgungsunternehmen einkaufen. Bislang haben sie es nicht getan. Außerdem kontrolliert ein paritätisch besetzter Beirat aus Unternehmen, Stadt und Umland die Arbeit der Eurawasser. Konditionen der Zusammenarbeit werden, falls nötig, flexibel nachverhandelt. Ergebnis: Die Abwassergebühren entsprechen dem Bundesschnitt. Die neue Kläranlage ist eine der modernsten Deutschlands. Sie allein hat den Schadstoffeintrag in Warnow und Ostsee halbiert. „Voraussetzung sind zwei kompetente Partner, die wissen, was sie wollen“, meint Frank Martens, Betriebsratsvorsitzender bei Eurawasser. Anfangs war er ein Gegner des Rostocker Modells. Jetzt holt er aus den „Kapitalisten raus, was geht“. Der Betrieb hat eine flexible Vorruhestandsregelung, aber von 437 Beschäftigten 1993 sind heute noch 400 in Arbeit. Die Option, die Belegschaft pro Jahr um 10 % verringern zu dürfen, wurde bislang von Eurawasser nicht in Anspruch genommen. „Für uns ist Rostock eine Investition“, erklärt Eurawasser-Geschäftsführer Helkenberg mit Blick auf Bremen. Schon liegen Vorschläge für die Abwasserent-sorgung von ganz Berlin vor, mit mehr als eine Milliarde Mark Umsatz im Jahr. Helkenberg: „Das wäre dann der Quantensprung.“

Thomas Schumacher