■ In Anbetracht des Männerbeins an sich
: Dann lieber Knickerbocker

Riefen die klassischen Knickerbocker dereinst noch wahre Stürme des Gelächters hervor, so sollten diese dezenten Beinkleider heute für ihre Tugendhaftigkeit Lob ernten. Denn ob bei der Opernpremiere, bei Ausstellungseröffnungen oder der Beerdigung der eigenen Mutter – sobald der erste Sonnenstrahl die Gemüter und deren Beine erhitzt, sind sie allenthalben und allüberall zu sehen: die schamlos nackten Männerbeine in Shorts.

Es geht nicht um die Krachlederne und die darin steckenden bajuwarischen Haxen, ausgewaschene Herrenturnhosen oder bunte Boxershorts à la Thomas Magnum – mit denen könnte man bestenfalls noch die Zylinder eines Opel Manta putzen. Nein, es geht um die wohl niemals aussterbende Short- Couture, die eines alljährlich wieder ans Tageslicht bringt: Das Männerbein an sich ist häßlich!

Betrachten wir die Shorts – zu deutsch: die Zukurzgekommene – einmal näher: Zumeist hängt ein zusammengenähter Lappen – direkt unter einem leptosomen Bier- Spitzbauch durch einen eleganten Gummizug zusammengehalten – schlaff an den Beinen herab. Der einzige Unterschied zur klassischen Schlabber-Unterhose: So ein Ding hat keinen Eingriff. Das hält die Träger allerdings nicht davon ab, wenn's nötig wird, einen selbigen wie gewohnt vorzunehmen – wie sonst sollten sie erklärt werden, die kristallisierten Toilettefehlerfleckchen?

Lag bis vor zehn Jahren noch die abgeschnittene Jeans eng an den Oberschenkeln an, so schreiben die Modemacher seit Anfang der 90er Jahre etwas anderes vor: Der Stoff darf die Beine nicht berühren. Vielmehr muß ein Zwischenraum von mindestens 15 Zentimetern bestehen; ein Zwischenraum, der des Beines volle Wirkung entfaltet: Zumeist O-, selten nur X-förmig; Kurze-Fußball- Muskel-Stampfer, genau wie lange Hühner-Hagerstelzen – jedes Männerbein sieht plötzlich aus wie ein Besenstiel, der aus einem Kartoffelsack herauswächst. Zumeist mit aufgenähten Seitentaschen versehen, von einem wahren Alptraum in Khaki oder Wüstensandgelb umschlackert, in Kenntnis jenes literarischen Bonmots, das da heißt „eine Hose ist eine Hose ist eine Hose“ – so ziehen die Männer aus, in Dickicht und Busch der unwirtlichen Fußgängerzonen zu jagen. Fehlte nur noch ein Tropenhelm, und der englische Kolonialherr im Großstadt-Daktari-Stil wäre perfekt.

Apropos Busch: Das Schlimmste sind die Beinhaare! Das Männerbein als solches ist nämlich nicht nur häßlich, es scheut auch noch – ganz Chew-Baka-Kinky- Afro – den elektrischen Beinhaar- Shaver; und sollte es dennoch einmal einen Epilady zu spüren bekommen, so ist das Ergebnis doppelt unsexy: Der Short-Träger sieht dann aus wie Storch im Salat. Und am Ende? Günstigstenfalls Tennissocken in Birkis-Peace- Peace, meistens jedoch nichts als braune Socken und graue Sandalen. Da möchte man glatt der Dackel an der Leine sein, der darauf pißt.

Mag es die kulturhistorische Akzeptanz des nackten Frauenbeins sein oder der sprichwörtliche innere Schweinechauvinist – selbst die Fahrradfahrerhosen, die alle noch so intimen Stromlinienformen des Athleten nachzeichnen, können einen Ästheten nicht überzeugen. Denn: Nicht nur, daß schöne Männerbeine selten sind, es gibt ja auch ach so selten knackige Männergesäße. Bleibt nur noch eines – im Namen der Hose: Zurück zu den Knickerbockern.

Nächste Woche an dieser Stelle mehr zur Sommermode sowie dem Kulturkampf zwischen Neo-Latzhosen-Mätzen und T-Shirt-Trägern, die ihre Speckfalten mit heftigster Eigenliebe entblößen. Björn Blaschke