Totes Meer rund um Ölplattformen

Neue norwegische Studie: Veränderungen der Meeresfauna durch Bohrinseln bisher weit unterschätzt. Über 20 Quadratkilometer Schäden pro Plattform. Verschmutzungen auch über große Distanzen  ■ Aus Oslo Reinhard Wolff

Die von den Erdölbohraktivitäten in der Nordsee ausgehenden Umweltkonsequenzen sind wesentlich umfassender als bislang angenommen. Weite Flächen Meeresboden rund um die einzelnen Ölplattformen sind „totes Meer“. Die bei den Bohraktivitäten frei werdenden Chemikalien und Verunreinigungen werden darüber hinaus durch Meeresströmungen großflächig verteilt, so daß sie auch weit von den Ölfeldern entfernt angetroffen werden. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie der staatlichen norwegischen Umweltschutzbehörde, aus der erste Einzelheiten am Wochenende durch eine Veröffentlichung in der Osloer Tageszeitung Aftenposten bekannt wurden.

Gemessen wurde im Umfeld von 23 Ölplattformen in der Nordsee. Demnach verunreinigen diese insgesamt eine Fläche von 549 Quadratkilometer Meeresboden stark mit Bohrschlamm, Chemikalien, Barium und Ölkomponenten – was bedeutet, daß jede Ölbohrung im Schnitt die Fauna des Meeresbodens in einem Umkreis von über 20 Quadratkilometern negativ beeinflußt. Ein Drittel dieser Fläche ist so massiv verunreinigt, daß sich laut Forschungsbericht die Zusammensetzung der Fauna „radikal geändert“ hat. Teilweise ist der Meeresboden regelrecht tot.

Die Ölgesellschaften hatten noch 1989 behauptet, daß bei „Normalbetrieb“, also ohne Unfälle, keinerlei Konsequenzen für die Meeresbiologie von der Ölförderung ausgehen würden. Später gestand man zu, daß vielleicht „einige hundert Meter“ rund um ein Bohrloch Verunreinigungen auftreten könnten. Am weitgehendsten sind die Vergiftungserscheinungen rund um die alten Ölfelder. Bis 1993 gab es keinerlei Restriktionen, was den Einsatz von Chemikalien und die Ablagerung giftigen Bohrschlamms rund um die Bohrlöcher auf dem Meeresboden anging. Heute sind mehrere dieser damals benutzten Mittel verboten.

Weit unterschätzt hat man bislang auch die flächige Ausbreitung der von den Ölaktivitäten ausgehenden Verunreinigung. So haben die ForscherInnen an allen 130 Meßstationen der Skagerrak-Küste, teilweise mehrere hundert Kilometer von Ölbohrlöchern entfernt, das bei der Ölförderung freigesetzte Barium festgestellt. Auf 2.000 Quadratkilometer Meeresboden fanden sie mehr als die doppelte natürlich vorkommende Menge an Barium. Barium selbst gilt nicht als besonders giftig, wird aber, da leicht nachweisbar, von den ForscherInnen als Indikator dafür genommen, über welche Flächen sich andere, weniger leicht nachweisbare Chemikalien verteilen.