„Aber er klingt wie ein Käfer!“

■ Der Beetle im taz-Härtetest: Vollbremsung am alten Flughafen, Elchtest im Beelitzer Spargelfeld. Und überall am Wegesrand winken die Menschen freudig ihren eigenen Erinnerungen hinterher

George ist kein Käfer. Er ist ein Beetle. Er singt nicht, er fährt. George hat das Zeug zu einem ganz großen Star. Ein „King of the road“, meinen seine Fans. In Berlin bieten sie mehr als 60.000 Mark, um an George, Ringo, Paul oder John ranzukommen.

Stig Anthor, Autoverkäufer aus Berlin, hat zwei Import-Beetles auf dem Hof stehen. „Paul“ und „George“. Auf einen Schlag könnte er ein paar Dutzend Wagen unter der Hand verkaufen. In Deutschland soll der neue Käfer erst im nächsten Frühjahr auf den Markt kommen. So will es VW. Aber wer kann schon warten, wenn der Kult ausgerufen wird?

Wir werden ihn probefahren. „George“ ist schneeweiß. Cremefarbene Ledersitze, 115 PS, Zwei litermotor (endlich: vorn!). Wegen seiner Querlage mußte das Armaturenbrett breitflächig zur Windschutzscheibe gezogen werden. Immerhin liegen 73 Zentimeter zwischen Scheitelpunkt und Scheibe. Da langt der Arm nicht, im Sitzen die Scheibe zu putzen. Zwar sind die Scheiben sauber. Trotzdem: Ein Minuspunkt für die extrem tiefe Armaturenablage.

George ist rund. Sein Designer sah die Welt als Ball (Lüftungsdüsen, Getränkehalter, Tacho) oder mindestens als Banane (Radio, Türgriffe, Trittbrett). Frauen werden sich schon wegen des Schminkspiegels in ihn verlieben: Beim Ausklappen der Sonnenblende schaltet sich eine kleine Leuchte ein. Der Beetle ist bequem und geräumig. Vorn. Die Rückbank wurde wohl nur für die Liegesitze gebraucht.

George wirkt auf seine Umgebung. Bauarbeiter drehen sich im Pinkeln nach ihm um, Schulkinder winken aus dem Bus. George nimmt es gelassen hin. Muckt nicht mal, wenn man spät, sehr spät, bei 90 km/h etwa, vom zweiten in den dritten Gang schaltet. Dann zeigt der Beetle, was eigentlich in ihm steckt: der solide Golf-Unterbau.

Keine Chance, ihn auf einer Schotterpiste am alten Russenflughafen mit einer Vollbremsung zu irritieren. Schnurgerade kommt er zum Stehen. Im Gegenteil: Es macht Spaß, George herauszufordern: Die Gurtstopper blockieren in Millisekunden. Sanft hält George dich in den Sitzen. Ein Softie eben.

Wir fahren zum Elchtest in die Spargelfelder von Beelitz. Machen es den Betrunkenen nach und schlingern mit vierzig über die fünf Meter breite Asphaltbahn. George bleibt cool. Nichts schaukelt sich hoch, alle vier Räder bleiben fest auf der Erde. Das freut die Männer, die gespannt an der Spargelbude gewartet haben. Schnell schlucken sie die Enttäuschung runter, daß „'ne Olle“ den Wagen lenkt. Fragen trotzdem: „Dürfen wir mal gucken?“

„Saugeiler Käfer“, befinden die Kerle, „aber viel zu kleiner Kofferraum.“ Aufgeschossene Typen deklassieren den gedrungenen George zum eitlen Möchtegern- Groß. Dann erzählen sie vom ersten Urlaub im alten Käfer. Mit Zeltausrüstung, Vater, Mutter und zwei Schwestern. „Trotzdem“, meinen sie gnädig, sei es „schön, daß VW den Käfer wieder baut“.

George ist aber kein Käfer mehr. Seine langgestreckte Rückenpartie stammt vom Kugelporsche. Aus dreieckigen Gucklöchern wurden hochgezogene Fenterfronten. Beim Käfer lief die Schnauze lang und schmal zusammen. George wurde vorne ziemlich zusammengestaucht. „Aber er klingt wie ein Käfer“, horcht die junge Frau am Straßenrand. Zwei, drei Kilometer war sie mit ihrem Corsa vor uns hergezuckelt, dann stoppte sie und hielt uns demonstrativ den Tramperdaumen entgegen. „Nur mal hören.“ Charmant läßt George die Fahrertür extra satt ins Schloß fallen. Die Sounddesigner haben gewonnen.

Der Beetle ist auf Charakter getrimmt. Neben ihm sehen Polo, KA, Twingo und die anderen wie abgeschnitten Zwerge aus. Produkte aus dem Windkanal, von Technikern kreiert. Gegen sie haben die Beetle-Designer den Kampf haushoch gewonnen. George ist mit Absicht unvollkommen. Die Seitenspiegel: winzig klein. Der Rückspiegel: zeigt einen kiwigroßen Ausschnitt aus dem zurückliegenden Leben. Breite Heckstreben versprerren den Rundum-Blick. Miese Mäkeleien, meint George. Was zählt, sind die inneren Werte. Annette Rogalla