Über den Beitritt entscheidet die EU, nicht Bayern

■ Frantisek Cerny, tschechischer Botschafter in Bonn, sieht durch Stoibers Äußerungen die deutsch-tschechischen Beziehungen erneut belastet und hofft auf eine Klarstellung der Bundesregierung

taz: Herr Cerny, kurz vor dem Treffen der Sudetendeutschen Landsmannschaft haben Sie Ihre Teilnahme abgesagt. Fühlen Sie sich nun nach den Äußerungen von Herrn Stoiber bestätigt?

Frantisek Cerny: Ja und nein. Ich befürchte, daß die Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten nicht dazu beitragen werden, ein besseres Klima zwischen unseren beiden Ländern zu schaffen. Mein Traum ist, daß ein Treffen der sudetendeutschen Landsmannschaft eines Tages bei uns stattfinden könnte, zusammen mit den dort heute ansässigen Tschechen. Die Basis ist ja da, die Liebe zur alten Heimat, eine gemeinsame kulturelle Tradition.

Davon scheint man ja noch sehr weit entfernt zu sein.

Die Erfüllung meines Traumes werde ich wohl nicht mehr erleben.

Sie hatten Ihre Teilnahme abgesagt, weil auf einer Versammlung der Sudetendeutschen in Hessen ein Vertreter den ehemaligen Staatspräsidenten Benes mit Hitler verglichen hat.

In einem Brief an Herrn Neubauer (Sprecher der Sudetendeutschen, d. Red.) habe ich von einem drohenden Rückfall in die Eiszeit gesprochen. Ich denke aber, daß die Allgemeinheit der Sudetendeutschen heute zur Versöhnung bereit ist. Insofern sollte man solche einzelnen Äußerungen nicht überbewerten.

Werden Edmund Stoibers Forderungen nicht ebenfalls überbewertet?

Die Äußerungen eines bayerischen Ministerpräsidenten muß man ernst nehmen, auch wenn sie im Wahlkampf gemacht werden.

Glauben Sie, daß Bayern mit seinem Vorstoß Erfolg haben wird?

Die Bedingungen für die Aufnahme hat die Europäische Union gestellt, nicht die bayerische Landesregierung. Es sind keine Forderungen, die bilaterale Themen umfassen. Würde der bayerische Katalog zur Grundlage der Aufnahmebedingungen, dann würde die Europäische Union noch heute aus nicht mehr als ein paar Mitgliedsstaaten bestehen.

Erwarten Sie eine Klarstellung der Bundesregierung?

Ich würde es begrüßen. Und ich bin mir sicher, daß Bonn die Aufnahme Tschechiens nicht mit Anforderungen überlasten wird, die über die EU-Aufnahmebedingungen für alle osteuropäischen Kandidaten hinausgehen.

Gewinnen die Extremisten in Ihrem Land an Auftrieb?

Das ist zu befürchten, zumal wir ebenfalls im Wahlkampf stehen. Extreme Kräfte, rechts wie links, die darum wetteifern, wer die Vorurteile am besten schüren kann, werden die Äußerungen ausnutzen. Dies hätte die deutsche Seite bedenken sollen. Severin Weiland