Analyse
: BSE noch nicht gegessen

■ Schweizer Testmethode enthüllt hohe Dunkelziffer des Rinderwahns

Der politische Streit um BSE mag sich gelegt haben, doch der Rinderwahn ist noch lange nicht vom Tisch. Noch immer können verseuchte Tiere unerkannt in den Handel kommen, das zeigt eine Schweizer Studie. Darin wurde ein neuer Test der Züricher Firma Prionics verwandt, der BSE bereits diagnostizieren kann, bevor klinische Symptome wie Torkeln oder unmotivierte Aggressivität unter den befallenen Kühen beobachtet werden. Die Forscher untersuchten die Hirne von 1.800 Tieren, die 1996 und 1997 getötet wurden, weil in ihren Herden BSE auftrat. Darunter fanden Forscher sechs bislang unentdeckte Fälle. Das berichtet die Schweizer SonntagsZeitung in ihrer aktuellen Ausgabe.

Nach groben Schätzungen des Schweizer Bundesamtes für Veterinärwesen (Bvet) könnte das hochgerechnet auf den Gesamtbestand bedeuten, daß in einem von tausend Fällen Schweizer BSE-Rinder unbemerkt auf den Steakteller gelangen. Bei 200.000 Schlachttieren pro Jahr wären das immerhin 200 Tiere, die Jahr für Jahr von ahnungslosen Schweizern verzehrt wurden. Solange nämlich die Tiere in den Ställen keine Symptome zeigen, werden sie als gesund verkauft. Offiziell sind in der Schweiz 272 Kühe an BSE gestorben, Tendenz fallend. Dieses Jahr kamen vier dazu.

Die Einfuhr von Schweizer Rindern nach Deutschland ist verboten. Anders als in der Schweiz sind hier bislang nur sechs BSE-Fälle amtlich geworden – jedesmal importierte Tiere. Deshalb verhängte Agrarminister Jochen Borchert eine Tötungsverordnung über Rinder aus Großbritannien und der Schweiz. Bislang sind 3.500 Rinder gekeult worden. Mehrere Gerichte haben die Verordnung inzwischen ausgesetzt: Sie sei übertrieben, weil die Krankheit nicht nachweislich von Tier zu Tier übertragbar sei. Bislang wurde in noch keinem der gekeulten Tiere BSE entdeckt. Der neue Schweizer Test kann noch während der Verarbeitung im Schlachthof ein Ergebnis liefern und damit das sinnlose Töten der Tiere vermeiden. Der alte Test dauert dafür noch zu lange. Allerdings ist der neue Test noch nicht allgemein zugelassen.

Auch die Briten sind an dem Prionics-Test interessiert. Dort wird noch immer spekuliert, wie viele Menschen dort an der Epidemie sterben werden. Bislang fielen 24 Menschen der neuen Creutzfeld-Jakob-Krankheit (nCJD) zum Opfer, die mit BSE in Verbindung gebracht wird. Das könnte bereits das Schlimmste gewesen sein oder aber der Vorbote einer riesigen Epidemie. Die Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch von nCJD ist noch unklar. Schätzungen gehen von zehn bis zwanzig Jahren aus. Der Höhepunkt von Rinderwahn war 1993, rund 710.000 britische BSE-Rinder gelangten auf den Tisch. Wenn die Schätzung stimmt, sind die bisherigen Fälle nur ein kleiner Vorbote. Matthias Urbach